Thema: Nachwirkungen
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Alt 02.04.2007, 20:30
stef777 stef777 ist offline
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Standard AW: Nachwirkungen

liebe klara,

ich kann dich voll und ganz verstehen, befinde mich in einer ähnlichen situation, obwohl mein vater erst vor 3 monaten verstarb. er war jedoch auch 1.5 jahre lang "krank".

ich empfand die ganze krankheitsphase als ziemlich traumatisch, hab schlimme psychosomatische probleme bekommen, konnte mir meine krankheiten nicht erklären, und keiner hat sie ernst genommen...ich hab damals dann schliesslich therapeutische hilfe aufgesucht.

Ich bin am ende meines studiums, muss nur noch diplom machen, was ich nun erst im wintersemester machen werde. das letzte semester konnte ich wegen der krankheit meines vaters nicht mehr richtig studieren, was aber nicht so schlimm war, da ich alle wichtigen scheine schon hatte. dieses sommersemester hab ich mich beurlauben lassen...das war keine so einfache entscheidung, da ich von diversen seiten druck gespürt hatte, doch mein diplom jetzt zu machen...u.a. von meinem mann, der eine woche nach dem tod meines vaters fragte, wanns denn nun konkret endlich losgehe mit dem diplom...ich bin sehr froh, dass ichs verschoben habe und mir die zeit zur erholung genommen habe/nehme...die ersten drei monate nach dem tod meines vaters war ich sozusagen k.o. geschlagen, erst allmählich kommen PHASEN, wo ich denke, nun hab ich die kraft, mich wieder dem leben RICHTIG zuzuwenden (d.h. nicht nur als maskerade vor den anderen). bin jedoch allgemein viel ängstlicher, dünnhäutiger als zuvor; ich hab mittlerweile oft angst, wie ich mein diplom "schaffen" soll...hab derzeit nicht mehr viel von meinem früheren unbeschwerten "mut".

es ist sehr bedauerlich, wie stark der umgang mit krankheit, tod, sterben, trauer in unserer heutigen gesellschaft tabuisiert wird, wie "ungeübt" menschen im umgang damit sind, bzw. manchmal auch bleiben wollen. war hier auch von mehreren menschen in meinem umfeld enttäuscht, u.a. von meiner schwiegermutter, die sich in den 1.5 jahren der krankheit meines vaters genau 0x von sich aus bei ihm meldete, sich komplett drückte, und deren einzige sorge bei der trauerfeier war, in welcher sitzreihe sie sitzen musste......bei sowas fehlen einem einfach die worte. ich kanns nicht vergessen und momentan auch noch nicht verzeihen. bei anderen freunden von mir denke ich allerdings manchmal, "ok, sie könnens einfach nicht nachvollziehen, sie haben so was noch nie selbst erlebt"....

so richtig kann ich auch mit keiner freundin drüber reden, eine hat zwar schon eine oma an altersschwäche verloren, aber das ist dann doch ein wenig anders. ich hab auch oft das gefühl, dass die geduld bei ihnen dann nachlässt, wenn man sich so ne halbe stunde drüber unterhalten hat, was wir aber auch nur anfangs taten, mittlerweile kommt meist nur noch das höflichkeits "wie gehts?"....auch, dass meiner mutter mehr anteilnahme entgegengebracht wird, erlebe ich auch so. verstehe ich auch überhaupt nicht....mein vater war mein ein und alles, warum denke menschen, man sei ja nur die tochter...?

ich bin daher in eine trauergruppe für junge hinterbliebene gegangen. es tut sehr gut, leider trifft sich die gruppe nur alle 4 wochen. allen fällt die balance zwischen der erfahrung mit dem sterben / tod und dem jungen zukunftsgerichteten leben schwer....ich hab dazu auch noch sehr wirre gedanken. mir erscheinen die gedanken hierbei anderer leute in meinem alter auch oft oberflächlich, ohne herablassend sein zu wollen.

wenn du möchtest, können wir uns gerne öfter schreiben.

hier noch zwei zitate, die ich unlängst hier im forum fand:

"Menschen, die sich mit dem Tod angefreundet haben,
können der eigenen Sterblichkeit ins Gesicht sehen und
sich für das Leben frei entscheiden".
(Henri Nouwen, "Sterben um zu leben")

Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung
abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die meisten
sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen.
(Albert Einstein)

LG
stef.
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