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Alt 25.04.2007, 00:29
chiara7 chiara7 ist offline
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Registriert seit: 27.10.2006
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Standard AW: Rippenfellkrebs

Hallo Stefan,

bei meinem Mann wurde diese OP im Sommer 2004 in Heidelberg (Thoraxklinik) gemacht. Vorab: das was ich schildere ist ein Einzelfall - andere verlaufen anders und ich habe in der Reha auch jemanden getroffen, der - allerdings erst Anfang 50 - sich deutlich schneller von der OP der holt hat. Aber vielleicht kommen ja noch mehr Berichte und du kannst dir daraus ein Bild machen.

Die OP ist nicht ungefährlich, das werden euch die Ärzte vermutlich auch gesagt haben. Wenn (!!!) deine Mutter das wissen will, fragt die Ärzte nach Zahlen. In Heidelberg lag 2004 die Quote der Todesfälle (bis vier Wochen nach der OP) nach Aussage der Ärzte bei 4 Prozent.

Bei meinem Mann dauerte die OP, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ca. 6 Stunden. Vorher war er körperlich ziemlich fit. 62 Jahre alt, kein Sportler aber halt gesund und ohne Übergewicht. Auch nach der Pleurodese (Verklebung der Lunge vor der großen OP) hatte ich - 17 Jahre jünger - Mühe, beim Walken mit ihm Schritt zu halten. (Vor der OP hatte er keine Chemo + keine Bestrahlung.)

Nach der OP schien er sich zunächst ganz gut zu erholen, Der Beatmungsschlauch wurde einige Stunden nach der OP gezogen und er konnte wieder allein atmen, abends die ersten Löffel Suppe. Am 3. Tag dann der Schreck: es wurde nachoperiert, weil sich in der Wundhöhle zu schnell zuviel Wundwasser angesammelt hatte. War dann nicht so schlimm, wie wir erst dachten und er wurde wie geplant nach drei Wochen entlassen.

Da konnte er dann immerhin zuhause die Treppe alleine hochgehen. Aber von der vorigen Fitness war nichts mehr da. Dafür Schmerzen vor allem bei längerem Sitzen, er nahm mehrere Monate Novalgin, dann ging es ohne.

Was blieb bisheute: fortwährende Übelkeit und entsprechende Appetitlosigkeit, für die es keine ganz schlüssige Erklärung gibt. Hat aber wohl auch mit der totalen Veränderung im Bauchbereich zu tun, da gibt es ein ständiges Druckgefühl.

Im Herbst 2004 folgte eine - völlig komplikationslose - Bestrahlung. Dann sollte es eigentlich bergauf gehen, doch dann kam eine Lungenentzündung, aus der er - nach zwei Wochen im künstlichen Koma - total geschwächt hervorging.
Anfang 2005 im Rollstuhl in die Reha, mühsamer Aufbau.

Dann 2005 ein gutes Jahr ohne große Ereignisse, zwei kleine Urlaube mit minimalen Laufstrecken (flach!!!) bis ein, zwei km.
Die Luft auf den Kanaren ist übrigens klasse für Lungengeschädigte!
Eineinviertel Jahr nach der OP fuhr er wieder selbst Auto, konnte wieder etwa 3 km in normalem Tempo laufen.

Dann kam im Frühjahr 2006 das Rezidiv und fortwährende Chemo, die ihn ziemlich zu Boden warf.

Fazit: Ohne die Lungenentzündung wäre es sicher besser gelaufen, doch auf jeden Fall ist man mit einer Lunge ziemlich eingeschränkt. Viele Dinge, die zum Alltag gehörten, gehen nicht mehr: bergauf laufen, schwere Koffer tragen, rennen, Sport ...
aber das Wichtigste für ein normales Leben geht! Es ist nicht so, dass man mit der Sauerstoffflasche durch die Gegend laufen muss. Man braucht Hilfe und muss vieles sehr viel langsamer machen. Vielleicht kann man es so beschreiben: Es ist, als ob man auf einen Schlag sehr viel älter wird.
Und die Erholung dauert wirklich lange. Ganz wichtig ist es, an der Kondition zu arbeiten: Atemübungen zu machen und die Ausdauer langsam zu steigern. Dabei braucht der Kranke auf jeden Fall Unterstützung, Krankengymnastik, Reha und/oder motivierende Familienmitglieder.

Nochmal: was ich geschildert habe ist ein Einzelfall. Andere verlaufe ganz anders. Im Internet gibt es auch Berichte von Menschen, die wieder Fahrrad fahren und ihrem Beruf nachgehen.
Ich habe z. B. auch vor der Pleurodese im Internet geforscht und den Bericht über eine Frau gefunden, die danach das Gefühl hatte "gegen eine Wand" zu atmen. Das hörte sich für mich schrecklich an. Bei meinem Mann war es dann ganz anders: dem ging es richtig gut nach der Pleurodese.


Ich habe das trotzdem so ausführlich geschildert, weil die Ärzte die Auswirkungen der OP zuweilen sehr klein reden.
Es gibt im Internet auch einen Beiträg, leider weiß ich nicht mehr wo, dass die kleinere OP (Dekortikation), also ohne Entfernung von Zwerchfell und Herzbeutel, ähnlich gute Ergebnisse hat ohne die Lebensqualität so drastisch einzuschränken.
Doch auch das ist eine Einzelstimme, wenn auch wohl auf eine Studie gestützt.

Ich finde die Entscheidung für oder gegen OP unendlich schwer. Bei uns stand sie gar nicht zur Debatte, weil mein Mann sich schnell und unbedingt entschieden hat, jede mögliche Chance wahrzunehmen.
Da möchte ich mich den vielen Beiträgen von Shalom hierzu anschließen: der Patient muss entscheiden.
Es ist nicht unsere Aufgabe, ihm die Entscheidung abzunehmen, ihm Hoffnung zu nehmen oder ihm Informationen aufzudrängen, die er nicht wissen will.

Wenn deine Mutter sich für die OP entscheidet - und bei Stadium Ib spricht einiges dafür - dann mach ihr Mut und nicht Angst.
Mir hat in der Zeit danach am meisten die Devise geholfen: immer schauen, was geht, und nicht, was nicht geht.
Also: Sich freuen, dass laufen geht (und nicht traurig sein, weil Fahrad fahren nicht geht).

Und noch was ganz Praktisches: die beste Idee, die wir vor der OP hatten, war die Anschaffung eines elektrischen Lattenrostes fürs Bett :-)

Ich hoffe, diese Antwort hat dich jetzt nicht zu sehr verunsichert - vielleicht kommen ja noch ein paar Erfahrungsberichte dazu.

Liebe Grüße
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