AW: Für Claudia und Junie
Hallo Ihr Lieben, hier schreibt Junie im Auftrag von Claudia!
Meine liebe, großartige, unglaubliche und unbeschreibliche Forumsgemeinde!
Jeden Tag aufs Neue sind Junie und ich völlig sprachlos über den nicht enden wollenden Strom an Anteilnahme, Liebe und Guten Wünschen, der immer noch unvermindert zu uns fließt. Sogar unsere Verwandtschaft und enge Freunde, die nichts mit Krebs zu tun haben, haben sich registriert und hier geschrieben – und jetzt auch noch unser völlig verrückter, liebenswerter Brite Eric. Leute, wir können uns ja gar nicht bedanken; dafür gibt es einfach keine Worte. Wir sitzen nur jeden Tag da und saugen Eure lieben lieben Postings auf wie Schwämme. Ihr könnt nicht ermessen, was Eure Unterstützung für uns bedeutet. Ebenso unglaublich toll finde ich, dass ihr auch Junie in Eure guten Wünsche mit einbezieht. Morgen um 11.00 Uhr wird er operiert und wir wissen nicht, ob und wann er wieder an den Laptop zum Schreiben kann. Deshalb möchte ich, auch wenn meine liebe Sybille Euch immer grob auf dem Laufenden gehalten hat, noch eine kurze Zusammenfassung über die Entwicklung der letzten Tage geben:
Am Samstag Nachmittag wurde mein Bauch wieder so prall und voll, dass ich auf einer Punktion bestand. Der nette Oberarzt, der Wochenenddienst hatte, konnte leider nicht sonographieren und war sich auf meine Bitte hin nicht zu schade, einen anderen Oberarzt hinzuzuziehen. Bei der Sono kam leider heraus, dass der ganze Bauchraum weiterhin mit Tumoren überwuchert wurde. Damit stellt sich das Problem, dass sich das Wasser nicht mehr in größeren Mengen an einem Platz sammelt, sondern sich in vielen kleinen Inseln versteckt, in denen man nicht punktieren kann. Dennoch fand dieser Arzt tief in der rechten Leiste eine letzte Möglichkeit und legte mir unter Lokalanästhesie völlig schmerzfrei eine Dauerdrainage. Es liefen sofort 1,8 l ab. In der Nacht nochmal 0,5 l. Das verschaffte mir große Erleichterung. Allerdings war ab Sonntag früh Funkstille und es kam überhaupt nichts mehr. Heute morgen entdeckte Junie, dass der Verband um die Drainage nass war. Nach einigen Beratungen wurde die Drainage gezogen. Seitdem ist aus dem Stichkanal fast ein Liter gelaufen. Wir hoffen so sehr, dass der Kanal noch lange offen bleibt und meinen Bauch entlastet.
Am Sonntag Nachmittag bekam ich nach dem Essen wieder diesen enormen Druckschmerz im Bauch und der liebe geduldige Arzt überzeugte mich davon, dass jetzt die Zeit für Morphin gekommen ist. Ich hatte ja üble Erfahrungen damit gemacht und vertrage es eigentlich gar nicht. Ich bekam vorweg eine neues Medikament gegen Übelkeit und dann danach eine Infusion mit 5 mg Morphin. Ich bestand darauf, zuerst nur die halbe Dosis zu bekommen, da ich die Wirkung erst einmal abwarten wollte – gebranntes Kind scheut das Feuer. Ich wurde auf die Infusion ziemlich dösig, aber ansonsten passierte nichts Schlimmes. Darauf hin ließen wir die zweite Hälfte auch noch einlaufen. Die Schmerzen wurden besser, aber nachts ließ ich mir die gleiche Dosis noch einmal geben. Gestern war dann der leitende Arzt sehr erbaut davon, dass ich alles so gut vertragen hatte. Wir besprachen, dass wir das gleiche Medikament als Trinkampulle mit einer vorausgehenden Tablette gegen Brechreiz ausprobieren wollten, weil es oral gegeben auch nicht zu müde macht. Gegen 13.00 Uhr nahm ich gestern dieses Morphin, schlief sofort ein und wachte erst gegen 17.00 Uhr auf um ca. 2 Stunden mir die Seele aus dem Leib zu kotzen. Anschließend schlief ich wieder bis heute früh um 03.00 Uhr. Das war also nicht die richtige Lösung.
Heute morgen war ich aus unerfindlichen Gründen völlig fibbrig und unruhig. Ich bin wild entschlossen, jede Hilfe anzunehmen, die mir die letzte Zeit leichter macht und so ließ ich mir von der Schwester 3 Tropfen eines Psychopharmakons geben, von denen die Normaldosis 10 Tropfen wäre. Es zeigte Wirkung und so ließ ich mir später nochmal 3 Tropfen geben. Drei Stunden später nochmal 6 Tropfen. Ich war deutlich ruhiger und auch wenn ich derartige Sachen für mich bisher völlig abgelehnt habe, sehr froh, dass ich auf diese Option zurück greifen konnte. Als die Schmerzen wieder kamen, ließ ich mir die gleiche Infusion wie zwei Tage vorher geben. Später kam der leitende Arzt zu mir und machte mir den Vorschlag ein noch besseres Morphin über eine Schmerzpumpe zu geben. Allerdings nicht über einen Rückenmarkskatheter sondern subkutan, so dass ich mir den Zugang selbst legen kann. Das werden wir morgen ausprobieren.
Ich löchere die Ärzte ständig wegen meiner Gesamtüberlebenszeit und in Anbetracht von Junies bevorstehender Operation habe ich heute die Aussage errungen, dass in den nächsten 10 bis 14 Tagen (leider!) wohl nicht damit zu rechnen ist, dass ich mich endlich auf meine letzte Reise machen darf. Übrigens liege ich hier im Zimmer neben dem, in dem unsere liebe Katrin/ Perlagonium gestorben ist.
Vor der Nacht zum Donnerstag graust es mir furchtbar. Unser großer Sohn wird zwar bis zum späten Nachmittag bei mir sein, aber die Nacht über bin ich halt dann doch allein. Allein die Tatsache, dass Junie bei mir ist, verleiht mir unglaubliche Stärke und Sicherheit. Aber am Donnerstag Vormittag kommt Junie ja wieder und wir hoffen, dass er schmerzfrei und seine Verfassung gut ist.
So meine Lieben. Meine Kraft ist wieder mal zu Ende, Eure Geduld sicher auch. Junie hat sich die Finger wund getippt und so verabschiede ich mich für die nächsten paar Tage. Ich nehme Euch sehr fest in meine Arme, kuschle mich an Euch und genieße alle Liebe und Wärme, die ich von Euch bekomme.
Eure Claudia
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