Liebe Ina,
tja, weißt Du, "das Wesentliche aus einem Text ziehen" ist ja genaugenommen mein Beruf. Das versuche ich meinen Germanistik-Studenten in den Seminaren beizubringen. Aber selbst wenn man aufmerksam liest, klappt das nicht immer. Manchmal springen einem einzelne Details, die einen vor dem Hintergrund irgendeiner Erfahrung besonders betreffen, so ins Auge, daß man sie überbewertet. Für manche Texte muß man auch älter und reifer werden. Anderen wieder kann jedes mitfühlende Herz sofort das Entscheidende entnehmen, während verkopftere Menschen hilflos davor sitzen... Es ist immer wieder spannend und man kann es als Mensch nur immer wieder aufs Neue versuchen, ausgehend von dort, wo man eben selbst gerade steht.
So, nach diesem beruflichen Exkurs, komme ich endlich wieder zu Dir

: ich denke, Du hast so recht damit, jetzt die "Spielregeln" für die nächste Zeit festzulegen und damit die Rahmenbedingungen für ein möglichst umfassendes und stabiles Wohlbefinden zu schaffen. Die dafür notwendigen Überlegungen sind sicherlich alles andere als schnell und leicht angestellt: Auf der einen Seite hast Du die Fakten, um die Du nicht herumkommst, auf der anderen Seite einen irgendwie offenen Raum, in dem es die Möglichkeiten zu entdecken gilt, die Dir bei der Bewältigung der Fakten helfen können.
Und - Du wirst es kaum glauben wie schnell ich wieder bei meinem Berufsgegenstand bin

- aber ich muß in diesem Zusammenhang einfach an Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" denken, in dem Musil die Begriffe "Wirklichkeitssinn" und "Möglichkeitssinn" verwendet. Beides soll zusammenspielen, das heißt, man sollte Wirklichkeitssinn beweisen, indem man die Realität nicht aus dem Auge verliert, aber ebenso auch Möglichkeitssinn, indem man es nicht aufgibt, über Alternativen nachzudenken, über das, was möglicherweise möglich ist.
Ich wünsche Dir so sehr, daß Du für Deine "Spielregeln" ganz viel Möglichkeitssinn parat hast (den Wirklichkeitssinn hast Du ohnehin). Und dann wünsche ich Dir natürlich, daß Du für dieses "Projekt" die richtigen "Mitarbeiter" findest, die Dir bei der Umsetzung helfen können.
So, und bevor ich mich noch zu längeren Ausführungen über den Nachtschwärmer in der deutschsprachigen Literatur hinreißen lasse, sage ich lieber einfach so ganz "normal"
GUTE NACHT