Liebe Leena
nun möchte ich doch mal wieder bei Dir hereinschauen... Deine Hausführung und das schöne Stündchen mit Dir im Garten haben mir sehr gutgetan. Ich bin gerne hier, nur schaffe ich es nicht, mich gänzlich durch Deine Hauschronik zu lesen.
Es ist nicht die Zeit, an der es mir mangelt, sondern mehr der Mut: Was ich auf den ersten Seiten bereits gelesen habe, offenbart mir eine manchmal fast schon erschreckend ähnliche Gefühlswelt, so daß ich mich schlichtweg nicht traue weiterzublättern - es könnte wie ein Blick in die nahe Zukunft sein. Nach und nach, Schritt für Schritt werde dann alles nachlesen...
Aber was rede ich von Deiner Vergangenheit und meiner Zukunft, wenn wir doch hier eine gemeinsame Gegenwart haben? Und wie ich sehe, bist Du in guter Gesellschaft:
Liebe Nikita, es ist schön, Dich hier zu treffen. Und Du kennst doch unsere Leena: sie führt ein großes, offenes Haus und würde es niemals fertigbringen, Dich hereinzubitten und Deinen Sohn draußen stehen zu lassen! Ganz bestimmt hat sie auch ein Zimmerchen für ihn! Die Frage ist wirklich, was er wohl mehr bräuchte, ein Studierzimmer oder vielleicht eher einen Raum, in dem er mit jemandem über seine Gefühle und Gedanken sprechen könnte...
Habt Ihr denn schon mal die Möglichkeit einer Gesprächstherapie erwogen? Vielleicht würde es Deinem Sohn guttun, sich mithilfe eines erfahrenen Menschen etwas zu "sortieren", um auch in Zukunft mit diesem Abschnitt seines Lebens besser zurechtkommen zu können. Prozac (hier in Deutschland heißt es Fluctin oder auch Fluxet) kann ja keine dauerhafte Lösung bieten. Insbesondere wenn Dein Sohn in der Schule mit Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen hätte, wäre eine gewisse Vorsicht angesagt. Ich will Dir keine Angst machen und es ist auch überhaupt nicht so, daß ich die Verwendung von Antidepressiva ablehnen würde - im Gegenteil, ich weiß sehr wohl, wie segensreich diese Medikamente wirken können - aber sie sollten ja möglichst nur übergangsweise eingesetzt werden, eben weil sie am zentralen Nervensystem ansetzen und deswegen häufig auch Konzentrationsschwäche, Nervosität und andere Nebenwirkungen hervorbringen, die in der Schule ziemlich hinderlich sind...
Ansonsten freue ich mich schon sehr auf ein Tässchen Tee von Dir: Es muß ja nicht unbedingt Hagebutten-Tee sein ... nicht zuletzt stecke ich gerade mitten in der Chemo und bin froh über jedes Getränk, das die Mundschleimhäute nicht reizt, z.B. Salbeitee

. Liebe Leena, was trinkst Du? Ach, wie ist es gemütlich bei Dir!
Und wenn wir dann eine Weile zusammengesessen haben, muß ich mich auch schon wieder auf den Heimweg machen. Zur Zeit fällt es mir nicht so leicht mit diesen Wegen: es steht ja alles unter Wasser und mein Boot hat ein Leck. Deshalb war ich sehr dankbar, daß mir heute mein Dachdecker wieder geholfen hat, das viele Wasser rauszuschöpfen - ich kam ja gar nicht mehr hinterher bei der Menge - alleine hätte ich das nie geschafft...
Aber nun wünsche ich allerseits eine gute Nacht!
Liebe Leena, nur zu gerne nehme ich Deine Hand. Wieder einmal drücke ich sie mit Dank!
Herzlichst
Deine Linnea