Liebe Linnea!
Ich danke Dir so für Deinen Besuch und Deine Worte.
Du erkennst also vieles von den Gedanken wieder, die ich niederschrieb? Irgendwie habe ich es geahnt. Ich wollte auch gestern bei Dir lesen, aber dann klappte hier wieder nichts im Forum- oder lag es an meinem PC? Auf jeden Fall denke ich an Dich und ich las von Dir (war es nun doch gestern

?), daß Du bald wieder zur Psychotherapie gehst, weil Du so viele Ängste und diffuse Gedanken hättest, ach, das kann ich so gut verstehen. Eben, als ich meine Kleine in der Karre durch das Dorf schob, weil ich meinen 5jährigen zum Kindergarten brachte, dachte ich an Dich und Deine Ängste. Und gerade heute ist aus unerklärlichen Gründen ein Tag, an dem ich das bis in die letzte Pore verstehe...
Als Du aber von dem Leck in Deinem Boot schriebst, da stockte mir kurz der Atem. Ich habe vor einiger Zeit mal einen Text geschrieben, der genau darum geht. Ich habe ihn gesucht und stelle ihn Dir hier jetzt mal rein, auch auf die Gefahr hin, daß Du ihn kennst

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Ich drücke Dich mal aus der Ferne! Danke!
Deine Leena
Das Bild meines Lebens
Als ich geboren wurde, bekam ich "mein" Boot. Dort wurde ich hineingesetzt und fuhr auf dem Fahrwasser meines Lebens. Eine ruhige Fahrt, manchmal schneller, manchmal kurvig, meistens bedächtig.
Mein Boot fuhr auf diesem riiiieeeeesen Meer neben ganz vielen anderen Booten und bald war ich nicht mehr allein. Ich hatte einen Partner und viele kleine Begleiter neben mir.
Plötzlich stieß aus dem Wasser, an Heftigkeit kaum zu überbieten, der Tsunami, der mich aus dem Boot spülte. Ich wurde zuerst in die Luft geschleudert, um gleich darauf tief hinunter zu fallen, zu fallen, zu fallen. Hart schlug ich auf, konnte nicht mehr erkennen, wo ich war. Wie durch einen Schleier sah ich meine geliebten Menschen, sie riefen, sie winkten und doch war ich nicht in der Lage, meine Hand zu heben oder gar zu schreien. Jeder Ton schien in der Kehle festzustecken. Was um Himmels Willen war passiert?
Ich sah mein Boot, es war kaputt, es hatte Löcher, Bretter waren abgerissen und doch mußte ich wieder hinein. Es war das einzige, das mir paßte. Mit größter Anstrengung kletterte ich hinein. Ich spürte, ich hatte das Ruder abgegeben, war nicht mehr Herr der Lage, nicht mehr Herr meines Lebens. Ein Gefühl von Traurigkeit umfing mich, Kälte und Einsamkeit, die ich so sehr spürte, daß es in meinem Herzen schmerzte. Tränen rannen herab, manche wurden geschluckt, manche bahnten sich anders ihren Weg.
Zu den seelischen Schmerzen, die mich machtlos auf den Planken meines kleinen Bootes zurückließen, kamen die körperlichen. Ich war entblößt, mußte intimste Körperteile fremden Menschen zeigen, mußte durch Röhren hindurch, die so laut waren, daß der Lärm fast meine Gedanken übertönte, mußte auf harten Plastikstühlen warten, bis mir gesagt wurde, wie groß der Schaden sein würde.
Dann irgendwann, als man mir Werkzeuge gegeben hatte, als man anfing, das Boot zu reparieren, konnte ich mithelfen. Unter Tränen, Wut, Trauer besah ich mein neues Boot. Manche Leckagestellen würde ich nie mehr flicken können, aber die Löcher waren zu, so daß ich nicht mehr Gefahr lief, unter zu gehen.
Auch konnte ich die Stimmen und die Wärme der geliebten Menschen wieder hören und spüren, konnte die Umarmungen zulassen und sie sogar suchen. Konnte die Sonne sehen, die warme Sonne. Den Horizont immer ein bißchen mehr.
Und dann kam der Tag, da alle Handwerker mich allein ließen auf meinem Boot. Ihre Arbeit war beendet und in dem Moment wurde mir klar, daß meine nun begann. Mein Boot war verändert. Ich fand mich nicht zurecht. Manchmal glaubte ich sogar, daß der Kompass ganz anders anzeigen würde. Auf nichts war mehr Verlass. Alles mußte ich neu lernen.
Ich fuhr wieder hinaus, hinaus aufs Meer. Manchen Sturm habe ich erlebt und sogar überlebt. Und jedes Mal habe ich mehr Kraft bekommen.
Ich weiß nicht, wohin meine Reise geht. Ich reise aber jetzt. Vielleicht liegen tausende Seemeilen vor mir, vielleicht nur noch wenige. Ich kann es nicht vorhersehen, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, auch wenn ich das Ufer nicht sehe, es gibt da ein Band, das mich hält, das mich zurückzieht, wenn es mir nicht mehr gelingen mag, über Wasser zu bleiben. Ein Band, das aus Liebe geknüpft ist. Ich werde gehalten. Und ich reise in diesem Bewußtsein JETZT in meiner Zeit nach meinem ganz eigenen Kompass!!!