Hallo Ihr Lieben,
wo soll ich anfangen in meinem Meer von Tränen?
Der Körper meiner Mama wird immer schwächer, da gibt es eigentlich keine Möglichkeit für mehr nach unten, aber ihr Geist ist nach wie vor hellwach.
Es kostet so viel Kraft, ihr bei diesem entsetzlichem Leiden zusehen zu müssen und natürlich auch zu wollen... denn was kann ich denn sonst noch für sie tun? Seit gestern nachmittag bis heute Mittag hat sie nicht mehr erbrochen. Eine kurze Verschnaufpause... Meinem Papa ist gestern Abend aufgefallen, dass sie sehr warm ist. Auf Nachfrage hat man bei ihr Fieber gemessen und 38,5 °C festgestellt. Sie ist sehr müde und schläft viel, auch wenn jemand bei ihr ist.
Als ich heute Nachmittag bei ihr war, wunderte ich mich über einen sehr üblen Geruch, der mir immer wieder in die Nase stieg. Beim nächsten Erbrechen packte mich das Entsetzen und ich wußte warum. Das Erbrochene ist jetzt pechschwarz. Sie erbricht also ihren eigenen Stuhlgang und damit dürfte das Ende sehr nahe sein. Kein Arzt will eine Prognose wagen, da sie ganz klar ist und keine Schmerzen hat.
Gestern hat mich eine sehr nette Schwester ganz lange in den Arm genommen und mit mir gesprochen. Heute habe ich sie leider nicht angetroffen. Sie ist der Überzeugung, dass meine Mama noch nicht losgelassen hat. Wenn sie sie wäscht und damit von ihrer künstlichen Ernährung abstöpselt, ist meine Mama ganz versessen darauf, sofort wieder verkabelt zu werden. Eigentlich war ich der Meinung, dass meine Mama abgeschlossen hat... Ihre starren Blicke in eine Ferne, die ich nicht sehen kann... Aber heute Abend am Telefon sagte sie mir, dass sie unser neues Haus auf jeden Fall nochmal sehen wird...
Die Schwester sagte mir, ich muss und soll nichts zu meiner Mama sagen, was ich emotional nicht von Herzen sagen kann... Also sind von mir die Worte: "Du kannst gehen..." nicht gefallen und werden wohl auch nie von mir gesagt werden."
Mir ist bewußt, dass jeder Abschied jetzt, der letzte sein kann. Ich sehe also ein Gesicht, ein ausgemerkeltes, altes Gesicht einer Frau die 80 sein könnte, aber erst 63 Jahre ist und eine Hand, die mir zu winkt. Werde ich sie morgen noch einmal berühren dürfen?
Ich weine momentan sehr sehr viel und das Ergebnis kann ich sehr deutlich im Spiegel sehen. Meine Tochter möchte mich nicht mehr weinen sehen, aber sie möchte mich trösten. Meine kleine 6jährige Tochter wird mich trösten und sie ist glaube ich die Einzige, die das auch kann.
Auch mein Papa leidet sehr. Natürlich makieren wir nach außen hin den starken Mann, haben alles im Griff und brauchen auch keine Hilfe... Gestern abend hat er mich sehr spät noch angerufen und furchtbar geweint am Telefon ...
Ich konnte mir meine Eltern nicht aussuchen, aber eine bessere Wahl hätte ich nicht treffen können. Ich hoffe, wenn meine Tochter einmal erwachsen ist, dass auch uns dieses tiefe emotionale Band verbinden wird!
Liebe Mama, ich möchte gerne bei Dir sein, wenn Du gehst - wenn Du gehen musst, auch wenn das keiner von uns möchte!
Danke Euch allen, dass Ihr bei mir seid, Kathleen!