AW: Hyperthermiebehandlung Dr. Müller Bauchfellmetastasen
Hallo Ihr Lieben,
ich möchte Euch heute noch einmal für Eurer Interesse, Euren Zuspruch, für Eure aufbauenden Worte und auch für Eure Beileidsbekundungen DANKE sagen.
Es sind bereits 5 Tage und 4 Nächte ohne meine Mama vergangen. Ich lebe noch, ich atme noch und eigentlich bin ich ganz ruhig, emotionslos - ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Auf jeden Fall reagiere ich ganz anders, als ich es selbst von mir erwartet habe. Eigentlich dachte ich, dass ich völlig austicke, jegliche Beherrschung verliere, Beruhigungsspritzen benötige...
Kenne ich die Frau, die hier vor dem PC sitzt? Bin das ich?
Vielleicht ist es aber so, wie Du, liebe Elke, beschrieben hast. Es ist eine lange Zeit vergangen, in der ich mich mit der Suche nach Informationen/neuen Behandlungsmöglichkeiten/Ärzten aufgerieben habe, Hoffnungen wurden geboren und wieder zerstört. Kapituliert habe ich nie, die Kapitulation wird mir jetzt aufgezwungen.
Trotzdem weine ich fast gar nicht. Es gibt Augenblicke, wo ich mich sehr bemühen muss, die Fassung zu bewahren, aber sie sind viel seltener inzwischen als ich für möglich gehalten habe. Früher habe ich mich oft in den Schlaf geweint und ich höre meine Mama noch sagen: "Bitte höre auf zu weinen..."
Getrauert habe auch ich wohl schon vorher. Das hat mir mein Mann oft vorgeworfen: "Sie ist noch nicht tot..." Ja, aber dieser immer näher kommende, unabwendbare Verlust hat mich fast um den Verstand gebracht. Losgelassen habe ich wohl in dem Augenblick, als ich sie ganz ruhig in ihrem Bett habe liegen sehen.
Natürlich gibt es Gedanken, wie: Habe ich wirklich alles unternommen was möglich war? Habe ich nichts übersehen? Habe ich alles angesprochen? Ich kann es bejahen, obwohl ich mit dem Wissen heute sagen würde, man hätte bei ihr eine Chemo vor der OP machen müssen. Vielleicht... aber ich darf diesen Gedanken nicht zu Ende führen.
Gibt sie mir diese Ruhe oder woher kommt sie oder ist es nur die Ruhe vor dem Sturm?
In den letzten Tagen gab es viel zu organisieren und das ist auch noch nicht abgeschlossen. Bestatter - Friedhofsverwaltung - Steinmetz - Friedhofskapelle - Auswählen Blumengebinde, Text für Schleifen...
Am Freitag suchten mein Papa und ich die Musikstücke für die Trauerfeier aus. Wir werden auf jeden Fall zwei Stücke ihrer (nicht meiner) Lieblingsband "Amigos" spielen. Ein Lied heißt: "Ich werde dich nie vergessen". Es handelt vom grausamen Zuschlagen des Schicksals und das ein Gesundwerden nicht mehr möglich war... Sie schrieben es wohl für meine Mama... Auf jeden Fall haben wir beide sehr geweint... Trotzallem gibt es noch keinen Bestattungstermin. Ihre ewige Ruhe wird sie leider nicht mehr vor Ostern finden, das steht schon fest.
Morgen werden wir wohl gemeinsam mit dem Bestatter eine Trauerrede fixieren. Ein großer Teil steht schon. Bisher kannte ich nur seinen Schwager und war mir nicht sicher, ob wir beim Richtigen gelandet sind. Aber jetzt bin ich mir sicher! Er fragte nur nach ein paar Lebenslaufdaten, die ich vergessen hatte und es entwickelte sich ein Gespräch von mehr als 2 Stunden... Möglicherweise hätte es auch noch sehr viel länger gedauert, wenn meine Tochter eingeschlafen wäre. Ich habe gestern telefonisch eine Art Zuspruch erhalten, den ich bis jetzt noch vermisste. Wir philosophierten über unglaublich viele Dinge und ließen fast nichts aus. Ich war so etwas von angenehm überrascht. Er versteht meine Zweifel und auch meinen Zorn, den ich in mir trage. Er verlor sehr jung seine Frau an Krebs und auch seinen Bruder... Gewisse Dinge muss man eben durchlebt haben, um wirklich verstehen zu können... Vielleicht erarbeite ich mir zur Zeit eine neue Sichtweise, nämlich: Der Tod gehört tatsächlich zum Leben!
Gestern waren wir alle noch einmal im Hospiz, um uns nochmals zu bedanken und die Angehörigenseite im Album zu gestalten. Dieses Hospiz und ein Großteil der Schwestern wird mir in angenehmer und auch ehrfürchtiger Erinnerung bleiben und das hätte ich vorher nie für möglich gehalten.
Und noch eines möchte ich Euch erzählen: Es gibt Dinge, die man glauben möchte, aber nicht oder noch nicht kann, aber sie passieren. Wir haben eine Jura-Kaffeemaschine und seit Mittwoch schaltet diese sich wieder von selbst an, wenn Du gerade einen Kaffee rausgelassen hast. Jedes Mal!!! Schickt mir meine Mama einen Regenbogen und für meinen Mann, der sehr gerne Kaffee trinkt, ein anderes Zeichen? Ich muss schon fast selber schmunzeln, was ich hier schreibe...
Aber ja, ich WILL sie wiedersehen, irgendwann... ohne Schmerz und Leiden... mit einem Lachen auf ihrem wunderschönen Gesicht...
Wahrscheinlich werde ich in Zukunft nicht mehr so oft hier reinschauen, aber so ganz wird es mich wohl nie mehr loslassen. Außerdem möchte ich Euch, Elke, Gabi und Bianca, noch ein wenig begleiten dürfen.
Liebe Mama, ich vermisse Dich und ich würde Dich sehr gerne in die Arme schließen, aber ich bin auch froh, dass es mich nicht zerreißt.
Kathleen
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