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Alt 25.03.2008, 02:43
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Hodgkin - mein neuestes Sammlerstück

Liebe Ina, liebe Flautine, liebe Leena, liebe Beate, liebe Antje und Ihr anderen Lieben

ich hoffe, Ihr hattet ein gutes Osterfest? Meines war auf jeden Fall intensiv. Meine älteste Schwester und ich sind mittlerweile bei meiner Mutter eingezogen (daher komme ich auch ins Internet - aber leider mit dem Schreiben hier und privat nicht hinterher). Wir sind wirklich zusammengerückt, weil wir es brauchten.

Meinem Vater geht es sehr schlecht: beim Ganzkörper-CT wurde zusätzlich zu dem Tumor auf der Niere noch einer in der Lunge entdeckt. Deshalb soll heute eine Bronchoskopie mit Biopsie durchgeführt werden, bevor morgen ein Ganzkörper-Szintigramm dran ist. Leider ist es über das Osterwochenende nicht gelungen, ihm die Schmerzen weitgehend zu nehmen, die von den Knochenmetastasen herrühren. Er bekommt derzeit hochdosiertes Morphin über Pflaster, Spritzen und Tabletten, außerdem Novalgin intravenös und oral - und trotzdem kann er sich vor Schmerzen kaum rühren. Ich weiß gar nicht, wie er es bis jetzt überhaupt aushalten konnte. Vor wenigen Wochen hat er noch große Fahrradstrecken zurückgelegt und wurde von allen Rentnern aus der Nachbarschaft für seine "Fitness" bewundert - es ist wirklich unfaßbar!

Durch das viele Morphin wird er von schlimmen Träumen geplagt, sieht Dinge, die andere nicht sehen, ist stark desorientiert und vergeßlich. Er verspürt dann offenbar Impulse, etwas zu tun, steht unter großen Schmerzen auf und weiß dann nicht mehr, was er vorhatte. An einem Tag wußte er nicht mehr, wie Besteck zu handhaben ist, und versuchte ständig mit ganz zittrigen Händen, seine Infusion abzustöpseln, um den Schlauch an sein Telefon anzuschließen. An einem anderen Tag äußerte er im Bett liegend, immer wieder den Wunsch, endlich ins Bett gehen zu dürfen. Zwischendurch bemerkt er dann seine eigene Verwirrtheit und ist kreuzunglücklich - es ist sehr schwer, ihn so zu sehen. Glücklicherweise sind alle Schwestern und Pfleger auf der Station ausgesprochen lieb und bemüht

Meine Mutter verbringt viel Zeit in der Klinik, und wir Töchter wechseln uns ab, damit es meinem Vater nicht zuviel wird - naja und mir natürlich auch nicht. Daß mein Herz immer mal wieder ein bißchen herumspinnt, könnt Ihr Euch ja denken, aber mit ein paar Atemübungen geht es meist wieder. Zur Zeit bin ich mehr als dankbar für mein Antidepressivum, mit dem es mir einigermaßen gut geht. Für meine Mutter ist die ganze Geschichte natürlich ungeheuer belastend, nachdem sie schon so lange um mich gebangt hat. Sie, meine älteste Schwester, meine jüngste Schwester und ich versuchen die kurzen Zeiten zwischen den Krankenhausbesuchen möglichst wohltuend zu nutzen, gemeinsam zu kochen und zu essen, uns gegenseitig kleine Streichelmassagen zukommen zu lassen und auch gemeinsam zu weinen. Was das Zusammenrücken anbelangt, so fühlt es sich ganz ähnlich an wie einmal, als wir eingeschniet waren....

Ihr Lieben, jetzt ist es wirklich spät geworden.... ich danke Euch ganz herzlich für Eure lieben Worte! Es ist so tröstlich, von Euch so lieb bedacht zu werden!

Alles Liebe und Gute für alle hier!
Eure Linnea
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Einen Menschen zu lieben heißt:
Ihn zu sehen wie Gott ihn gemeint hat.
Liebe ist das Geheimnis der Brotvermehrung.
- Christine Busta -
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