AW: Betroffene und Angehörige im Umgang miteinander
Liebe Anja,
ein herzliches Willkommen auch von meiner Seite. Ich denke, allein die Erfahrung dass andere in dieser einzigartigen Situation ähnliche Erfahrungen gemacht haben wird Dir Mut und Kraft geben.
Für mich jedenfalls ist es so. Sobald mein Feind einen Namen hat verliert er ein bißchen an Schrecken. Und mir persönlich jagt es oft Angst ein, von Dingen zu lesen, die wir so noch nicht erlebt haben. Auf der anderen Seite aber - und die Erfahrung konnte ich schon machen - kann ich dann, wenn sich die Situation bei mir wiederholt, ruhiger reagieren, besonnener. So zum Beispiel bei Stimmungsschwankungen. Ich denke, nicht alles hängt mit den Nebenwirkungen zusammen. Die Psyche ist sicher ein großer Teil davon. Und manchmal, wenn ich denke ich kann nicht mehr und am liebsten "passend antworten" möchte, dann rufe ich mir vor Augen warum ich eigentlich so dünnhäutig bin. Meist ist es dann die Machtlosigkeit, die Unfähigkeit etwas zu ändern, aufzuhalten, zu beeinflussen. und dann überlege ich wie es sein mag, wenn es der eigene Körper ist. Das hilft mir sehr mit den Schwankungen umzugehen.
Ich selbst bin eigentlich ein sehr aufbrausender und emotionaler Mensch. Meine Mutter hat mich im letzten Jahr gelehrt, mich besser zu kontrollieren. Einmal tief durchzuatmen und zu überlegen was gerade passiert. Ihre Ruhe - die sie nur selten verliert - bewundere ich zutiefst. Oft ist sie für mich nicht nachvollziehbar. Meine Mom sammelt immer ein bißchen und irgendwann, bei einem Gläschen Cognac-Cola (igitt und was für ein Mischungsverhältnis!) und passender Musik weint sie. und so weh, wie das tut, sie weinen zu sehen, so gut tut es mir auch, in genau dem Moment da sein zu können. Und dass sie - zumindest ein bißchen - dann Kraft aus mir ziehen kann.
Ich bewundere meine Mutter und auch viele Betroffene die ich - aus der Ferne - hier kennen lernen durfte. Ich glaube kaum, dass es jemanden gäbe der es an meiner SEite aushalten würde, hätte ich die Diagnose.
Du wirst hier viele verschiedene Umgangsweisen, viele verschiedene Einstellungen, viele verschiedene Verläufe sehen. Ich halte es in dieser Hinsicht wie mein Vater. Er hat damals (eigentlich MEtallica und ACDC Fan) während seiner Erkrankung angefangen, klassische Musik im Abo zu bestellen. Total irritiert las ich dann auf einmal CD Aufschriften wie Chopain, Beethoven...
Ich habe ihn gefragt, ob ich mir nun Sorgen machen sollte über diesen heftigen Wechsel. Er hat mir gesagt, in jeder Musikrichtung gibt es mindestens einen Titel der ihm gefällt und es wäre einfach zu schade, den zu verpassen.
Genauso halte ich es hier. Von fast jedem konnte ich bisher mindestens eine Zeile lesen, die mich nachdenklich gestimmt und mir das ein oder andere Mal geholfen hat, klarer zu sehen.
Ich hoffe, Du kannst hier aus dem Forum ähnlich viel für Dich gewinnen.
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens
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