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Alt 26.08.2008, 10:20
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: Betroffene und Angehörige im Umgang miteinander

Hallo ihr Lieben,

liebe Annika, Blume, Lissi, Sanne...
ihr habt recht mit dem was ihr schreibt, auch wenn ich wohl manchmal den Eindruck erweckt habe, es gäbe nichts anderes in ihrem Wohnzimmer als die Krankheit. Dem ist natürlich nciht so. Ich erzähle ihr von meinem Bauchtanz, zeige ihr Übungen und breche mir fast den Hals dabei, ich frage ob ich irgendetwas erledigen kann, fotografiere ausgiebigst die Katzen, schwärme von meiner neuen Azubine, die sich wirklich toll schlägt, berichte von meinem Nebenjob auf der Shell, von Kunden über die ich mich aufrege (das kann ich besonders gut ), von meiner Katze die die Tablette wieder nicht wollte, dem Kater der im Futterstreik ist, meinem neu gestalteten Balkon ...

Aber ich berichte über manche Dinge eben nicht mehr so ausführlich. Sie ist abwesend und wirkt mehr höflich als interessiert. Schweigen ist ihr manchmal einfach lieber, aber diese bedrückende Stille mit ihrem traurigen Blick auszuhalten - das ist so schwer für mich. Vor allem habt ihr Recht damit dass es mich in eine Rolle zwingt mit der ich nicht gut umgehen kann, ich bin zum beobachten verdonnert, kann gar nichts tun. Nichtmal ein blödes Baguette holen. Mit lila Tupfen von mir aus.

Gestern hatten wir nun endlich ein offenes Gespräch. Ich habe ihr einiges im Haushalt erledigt und dann endlich kam sie damit heraus. "Du schaust mich immer so traurig an". Gut. Gut, dass wir darüber reden, gut dass wir damit arbeiten können ( Lissi... "Muttis merken das...").

Ich habe ihr erklärt, dass es mir schwerfällt damit umzugehen wenn sie so gar nichts sagt. Dass ich sie dann mehr beobachte als sonst, in der Hoffnung herauszufinden was ihr fehlt. Dass ich dann vielleicht einfach sehe, dass sie das Gesicht verzieht wenn sie sich aufsetzt und ich dann weiß, dass sie der Rücken plagt.... Ich habe ihr gesagt, dass es der forschende, nicht der traurige Blick ist. Ich habe ihr gesagt, dass es mehr die Situation spiegelt dass ich gerne etwas tun würde damit es ihr besser geht. Und das stimmt. Es hat gut getan, gut getan zu wissen dass wir IMMERNOCH MITeinander reden können, gut getan, gerade stellen zu können, offen aussprechen zu können, dass ich mein bestes gebe, aber manchmal einfach nicht weiß, was das Beste wäre... Gestern habe ich gefragt wie es ihr geht. Diese Frage meide ich wie das Feuer weil ich weiß, sie nervt das. Bestimmt zwei Wochen habe ich nicht mehr gefragt, nur wenn es eine konkrete Sache gab. "Wie immer" gibt sie mir zur Antwort. Nein Mama, ich sehe doch, dass es Dir in den letzten Tagen schlechter geht. Du sprichst nicht, hast Schwierigkeiten mit der Atmung, dem Abhusten...

Und wisst ihr was? Ich habe es bereut denn ich glaube es war ihr wirklich nicht so bewusst. Auf der anderen Seite hat sie aber wohl am Vortag schon überlegt, den Onko zu fragen ob sie eine Chemo Pause machen kann. Sie hat mit ihrem Mann darüber gesprochen. Damit sie wieder ein bißchen zu sich selbst findet, am Leben TEILHABEN kann. Und ich denke, wenn sie das möchte, dann unterstützen wir sie. Natürlich. Aber was vermittel ich ihr denn, wenn ich einfach blind darauf eingehe? Dass es besser ist, jetzt noch ein paar Tage keine Chemo zu machen und leben zu können?

Aber wisst ihr was? Ganz versehentlich habe ich offensichtlich später am Abend, als ihr Mann da war, einen richtig guten Spruch platziert und meine Mama hat so richtig und aus voller Kehle gelacht. Ihr Mann und ich standen später in der Küche und er sagte nur "Sie hat gelacht!".

Es hat uns so gut getan. Sie hat so richtig gelacht, mit ganzem Herzen, strahlenden Augen. Mit allem.

Ich würde alles dafür geben wenn ich das bloß öfter schaffen würde.
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens

Geändert von Bianca-Alexandra (26.08.2008 um 10:24 Uhr)
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