Hallo, Ihr Lieben - hallo, Yvonne.
Wenn deine Mama anfangen möchte, über deinen Papa zu reden und es ihr dann doch schwerer fällt, als sie dachte, dann zeigt mir das, dass sie noch ganz viel Zeit braucht, um sich das Geschehene zu verinnerlichen.
Die Zeit muss sie sich einfach nehmen und weißt du, als ich mit meiner Mama immer über Papa sprach, weinten wir beide.
OK, ich bin eher die Heulsuse, aber sie stimmte mit ein und wir redeten trotzdem weiter und weiter und weiter. Dann lachten wir zwischendurch auch.
Die Tränen befreiten uns immer mehr und wir konnten immer mehr und öfter darüber reden. Mittlerweile gehört das Weinen nicht mehr zum Erzähl-Standard, wenn wir über Papa sprechen. Wir sind traurig, natürlich, fühlen den Schmerz, der immer in uns stecken bleibt, aber wir haben gemerkt, dass jeder seine Zeit nehmen soll, die er braucht, um den Verlust sacken zu lassen. Und wir haben gemerkt, wie wunderschön es ist, über Papa zu sprechen und die schönen Dinge, die wir alle mit ihm erleben durften.
Vielleicht stimmst du mit ihr ein und ihr weint beide, wenn du bzw. sie von ihm erzählen wollt... ich denke, sobald das erste Gespräch unter Tränen stattgefunden hat, können weitere folgen. Vielleicht ist dann der Bann des Unaussprechlichen, des Schrecklichen gebrochen...
Vielleicht merkt sie, wie „selbstverständlich“ deine Tränen zum Gespräch über deinen Papa dazugehören und es muss ihr nichts ausmachen, selbst zu weinen.
Wie gesagt, dazu muss deine Mama erst bereit sein.
Die Bereitschaft, sich fallen zu lassen, auch mal zu jammern, zu klagen... über den Schmerz, die Ungewissheit, wie es weitergehen soll...
Nur dann kann man ihr helfen, weiß, wie es ihr geht, findet den Weg in die Sonne...
Ich habe lange das Gefühl gehabt, irgendwo zwischen Fallen und Ankommen zu sein, das Gefühl, irgendwo zu schweben, ohne zu wissen, in welche Richtung...
Ich wollte in meine eigene „Tiefe“, dorthin, wo der Schmerz sitzt, dorthin, wo die Erinnerungen nicht so weh tun, wo ich irgendwie betäubt werden kann.
Dann gab es Momente, in denen ich mich in der Waage fühlte oder auch mal in einem Auftrieb, der aber nur kurz anhielt.
Ich habe gedacht, wie wird es wohl sein, wenn ich endgültig aufschlage, angekommen bin? Will ich irgendwo ankommen, wo es mir schlecht geht, wo ich noch trauriger bin, als ich es jetzt schon bin? Was finde ich in der Tiefe? Sehe ich da was, was mir hilft und meinen Papa zurückbringt?
Ich konnte das „Fallen“ nicht aufhalten. Aber ich habe gespürt, dass ich so nicht weiterkomme und mir niemand in meiner direkten Umgebung da wirklich helfen kann. Ich habe mich auf meine Umwelt konzentriert, gearbeitet, mich gekümmert, mich konfrontiert mit dem Schmerz – durch Erzählungen, Gedanken – und ich habe gemerkt, dass ich immer mehr ein Stückchen nach oben komme, auftreibe.
Ich habe mir Erlebnisse gegönnt, Auszeiten...
Bei einer ganz normalen Tasse Kaffee auf der Terrasse meiner Eltern zu sitzen, mit Mama die Blumen anzuschauen, die viel bunter geleuchtet haben, viel schöner gewachsen sind als in den vergangenen Jahren...
Ich habe für mich Dinge entdeckt, die ich mit der Nähe meines Papas assoziiere... ich habe gemerkt, wie sehr mich der Gedanke an ihn gestärkt hat bei wichtigen Terminen, vor denen mir Angst und Bange war. Ich habe gemerkt, dass er immer bei mir ist, wenn ich mir etwas gewünscht habe (bei einem Familienausflug sollte die Sonne scheinen – hat sie auch, herrlich!).
Ich weiß daher nicht, ob ich angekommen war und wieder den Weg nach oben gefunden habe oder ob ich mich aus dem Fallen bereits irgendwie befreit habe, weil ich die Nähe meines Papas in irdischen Dingen gesucht und gefunden habe.
Ich bin mir sicher, dass ich ein ganzes Stück gefallen bin, doch ich habe vielleicht nicht alles zugelassen, was mich in dem Stück Tiefe erwartet hätte. Mein Leben musste weitergehen. Ich habe die Verpflichtung, dass ich mich um meine Mama kümmere, um mein eigenes Leben, um meine Partnerschaft und meine Freundschaften. Und ich wusste, wenn ich der „aufgehende Sonnenstrahl“ für meine Mama bin, hat sie es leichter, über ihren Verlust hinweg zu kommen.
Und so hat es funktioniert.
Ich würde mein Handeln so beschreiben: Pack den Stier bei den Hörnern und los gehts!
Natürlich gibt es immer wieder Situationen, die mich sicherlich mein ganzes Leben begleiten werden, in denen ich wieder ein Stückchen falle. Aber meine Erfahrungen bis hierhin haben mich gelehrt, dass nach den Wolken die Sonne wieder scheint und mein Papa einer ihrer Strahlen ist.
Ich weiß, dass mein Papa niemals wollte, dass wir uns verkriechen, uns in ein Loch fallen lassen oder nur noch weinen und uns und auch ihn bemitleiden.
Mein Papa war ein Kämpfer, ein tapferer Krieger gegen seine Krankheit.
Und ich bin seine jüngste Tochter, auf die er immer stolz sein konnte und auch weiterhin sein soll.
Ich weiß aber auch, dass mein Papa – und auch sicher deiner – immer wollte, dass jeder so leben soll, wie er möchte... und fühlen soll, wonach ihm ist.
Gönnt euch schöne Geschichten, aber gönnt euch auch traurige Geschichten. Weint die Tränen, die euch befreien können und vor allem: dürfen!
Ich drück die Daumen, dieses scheinbar unüberwindbare „Nichts“, was eine dermaßen große Bedeutung und Wichtigkeit in unserem Leben und Sterben hat, zu begreifen und zu greifen.

und ganz, ganz viel Kraft für dich und deine Mama.