AW: Lebenslauf kleinzelliger Lungenkrebs SCLC
Liebe Bibi,
ich nehm Dich mal in den Arm.
Dass Du Angst hast, ist doch ganz normal. Ich hatte immer Angst, was jetzt noch kommt, wenn ich zu meiner Mutter gefahren bin. Und sie wollte ja in der Klinik bleiben, nicht zu mir nach Hause, weil sie Rücksicht auf meinen Sohn nehmen wollte. Hospiz war noch die Alternative, aber den Umzug hat sie sich selbst erspart - an dem Tag, wo ich das Aufnahmegespräch gehabt hätte, verstarb sie in der Früh.
Meine Mutter hat ganz klar gesagt - schon weit vorher, dass sie bitte, wenn sie Luftnot hätte, dies verschlafen möchte. Die Ärzte haben sich daran gehalten.
Als sie irgendwann sagte, sie möchte sterben, wurde das auch akzeptiert. Sie konnte auch nicht mehr, hätte auch nur alles mir zuliebe gemacht. Aber ich hab ihr auch klargemacht, dass sie mir nichts zuliebe machen muss - ich müsse das nicht aushalten, sie dürfte entscheiden, wie es weitergeht. Allerdings hat sie lange schon halluziniert, war nur noch zweimal ganz klar, wo wir darüber gesprochen haben. Auch da kam der Wunsch, sie bitte doch ganz abzuschießen, wenn es ihr schlecht ginge, sie merke sowieso, dass sie sterben würde - bald. 2 Tage später hatte sie solche Atemnot, sie war nicht ganz bei Sinnen, aber auf meine Frage, ob ich sie schlafen legen sollte, meinte sie nur: Ja, schlafen. Sie bekam Atosil per Infusion, immer wieder so nachgelegt, dass sie nicht wach wird. Für mich war das schwer, ich hatte genauso Angst wie Du. Angst, alles richtig zu machen. Nur hat mich immer wieder eine Freundin zurechtgerückt, meine Mutter hätte mir alles, was sie wollte, dass gemacht wird, gesagt. Ich solle da nicht zweifeln.
So durfte sie ihren Weg gehen.
So schwer es auch ist, zu wissen, dass die Mutter nicht mehr aufwachen wird, so entspannend war es aber auch zu wissen, dass sie jetzt ruhig schlafen darf.
Ach Bibi, ich drück Dich.
Astrid
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