AW: Myriam
			 
			 
			
		
		
		
			
			Gibt es einen Unterschied zwischen Trauer und Trauer?  
 
Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich jemanden verliere. Mein Grossvater starb, als ich 21 war, er wurde knapp 75 Jahre. 1994 starb mein Schwager mit 45 Jahren, 1998 meine Grossmutter mit fast 99 Jahren. Mein Vater in 2003, mein Schwiegervater 2005 und noch einige mehr, darunter auch Schulfreunde. Wenn ich auf dem Friedhof meines Heimatortes bin, endecke ich oft neue Gräber von Menschen meines Alters, die ich kenne. Mit zumehmendem Alter wird das Sterben zum Begleiter, die Einschüsse werden dichter. 
 
Es war schlimm, diese Menschen, die mir so nahe standen, zu verlieren. Es war schlimm irgendwann fest zu stellen, dass nicht mehr so viele da sind, die Älter sind, als ich. Zeitabschnitte werden immer öfter an Beerdigungen festgezogen als an Kindtaufen. 
 
Es war schlimm, die Grosseltern (ich bin bei ihnen praktisch aufgewachsen, wir wohnten in einem Haus), den Vater zu verlieren. Ich wünsche mir heute manchmal, ihnen noch einmal die Hand drücken zu können. Mein Schwiegervater, ein toller Mann, Vater und Ehemann. Mit ihm hab ich 32 Jahre unter einem Dach gewohnt. Mehr also, als bei meinen Eltern. Um sie alle hab ich getrauert und denke heute: schade, es wär schön, sie noch um mich zu haben. 
 
Ja, trauern, schon. Doch dann konnte ich meine Frau in den Arm nehmen (oder umgekehrt), meine Kinder und alles war im Lot. Die eigene kleine Familie konnte das auffangen, mehr als ausgleichen. Ja klar, da waren leere Plätze, was besonders bei Familienfeiern auffiel: man brauchte weniger Stühle und Gedecke. Klingt blöd, das sind jedoch Gedanken, die einem durch den Kopf gehen beim Herrichten des Tisches. Relativ schnell war man darüber hinweg. Es gibt einige solcher Gelegenheiten, wo früher mehr Menschen am Tisch sassen. 
 
Naja, dann gehen alle nach Hause und wir vier leben weiter unser glückliches Leben. 
 
Wieviel anders ist es die Frau, den Mann oder Lebenspartner/in zu verlieren? 
 
Die Kinder sind gross, haben bereits selbst welche, haben ihre eigene Wohnung oder ihr eigenes Haus, vorallem aber führen sie ihr eigenes Leben. Haben ihre eigene kleine Familie in die sie abtauchen können. Sie haben garkeine Zeit, ständig zu überlegen: was wäre wenn! Sie gehen nach Hause und wissen, da ist jemand mit dem sie reden, lachen und manchmal auch streiten können. Da ist jemand, der Antwort gibt, den man berühren kann. Da ist jemand, der sie in den Arm nehmen kann. Da ist jemand, den sie lieben und der sie liebt. 
 
Sicher, auch ich werde geliebt. Wie ein Vater, Opa. Von Herzen liebe ich auch sie, als Vater, Opa. Ich bin ja eigentlich nicht allein. Pustekuchen! Überall, ausser in meiner  Wohnung, bin ich nur noch mehr oder weniger Besucher. Wenn ich in meine Wohnung komme und laut "Schatz, ich bin da!" rufe, wird lediglich die Katze auf dem Sofa, vielleicht, verschlafen mit einem Auge blinzeln. Wenn ich im Bett liege greift mein Arm in's Leere. Morgens, beim Frühstück trinke ich meinen Kaffe alleine (wenn ich überhaupt Lust dazu hab). Mittagessen (zumindest die meisten), Abendessen, genau dasselbe. Und dazwischen? Sehr viel Leere, trostlose Leere. Keine Gespräche, kein Kuss beim Weggehen, keiner beim Zurückkommen, keine Berührung, keine Wärme, keine Nähe. Niemand da, mit dem ich etwas gemeinsam tun kann. Nicht einmal mehr streiten kann ich mich. 
 
Wenn das Radio aus ist, nur noch Geräusche von aussen. Innen ist es still, totenstill. Ich hätte mir nie im Leben träumen lassen, dass es so schwer ist einen Gedanken nur zu denken und ihn nicht auszusprechen. 
 
 
Ich wünsche euch eine gute Nacht 
 
Helmut
		 
		
		
		
		
		
		
			
		
		
		
		
		
	
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