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Alt 03.01.2010, 14:56
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Mama will nicht kämpfen...

Hallo Mona,

Zitat:
Zitat von Mona1976 Beitrag anzeigen
Meine Mama hat sich leider nicht genau über ihre Krankheit informiert, nichts gelesen, sie nimmt es so hin. Aus diesem Grund finde ich persönlich ihre Entscheidung nicht entgültig durchdacht.
Damit hast du sicher auch recht. Nur: niemand von uns durchdenkt eine Entscheidung endgültig. Alles, was im Leben wichtig ist, folgt weniger der Vernunft als dem Gefühl. Ich weiss es natürlich nicht, aber: vielleicht _will_ deine Mutter da gar nichts mehr durchdenken? Es gibt halt solche und solche Menschen. Ich z.B. bin immer gerne über alles informiert, um mir ein Bild machen zu können. Statistik, Abwägung, Chancen, Entscheidung. Ein Kopfmensch.

Aber gerade unter dem Druck der Krankheit gibt es eben viele Menschen, die wollen das nicht (mehr). Ist mir durchaus nachvollziehbar. Die wollen, dass ihr Leid endet (ob durch Heilung oder Tod, wie auch immer), sonst nichts. Die einen vertrauen dann gerne den Ärzten, die sagen, da machen wir noch das und das und das und dann werden sie wieder gesund - obwohl das, wie man mit etwas Information wüßte, offenbar häufig gelogen ist. So wollte der Vater meines Freundes das sehen. Also hat er die 6 Monate von der LK-Diagnose bis zum Tod in x verschiedenen Kliniken verbracht und sein Zuhause nicht mehr gesehen. War er zufrieden mit, der wollte das so. Der wollte auch gar nicht wissen, ob ihm die Ärzte die Wahrheit sagen. Er wollte einfach seine Ruhe. Andere wie deine Mutter wollen auch nichts mehr wissen und hören, nur ihre Strategie ist anders. Sie fühlen sich in ihrem Restleben ohne Ärzte und privat wohler als in Krankenhäusern.

Wer will das als Nicht-Betroffener werten? Für meine Frau war der größte Horror, im Krankenhaus oder gar Pflegeheim sterben zu müssen. Sie hatte schon auch angst vorm Sterben. Aber die viel größere Angst hatte sie davor, das nicht Zuhause tun zu dürfen. Vielleicht hätte sie in der Klinik sogar ein paar Monate länger gelebt. Aber sie hätte ihr Zuhause, Haus, Grundstück, Viecher nicht mehr gesehen, Weihnachten nicht mehr Zuhause erlebt. Und ob ich in ihren letzten Stunden (sie starb Samstag früh um 4) bei ihr gewesen wäre? Wahrscheinlich nicht. Der Hund jedenfalls, der ihr kurz vom Tod nochmal die Hand abgeschleckt hat, sicher nicht. Der darf ja nicht auf's Klinikgelände.

Heute jährt sich der Todestag meiner Frau. Und was mir aus ihren letzten Wochen Zuhause am schlimmsten nachhängt, ist nicht ihr Sterben und ihr Tod. Sondern eine Nacht wenige Tage vorher, wo sie Alpträume hatte, dass doch noch "die Leute" kommen und sie von Zuhause wegholen. Ich musste ihr ein dutzend mal versprechen, dass ich es nicht zulassen werden, dass sie jemand holen kommt, aber überzeugen konnte ich sie nicht. Sie hat sich an meiner Hand festgekrallt und gesagt, ich müßte ab jetzt immer bei ihr sitzen bleiben und dürfte nicht mehr weggehen. Weil sonst ja sofort jemand käme, um sie abzuholen. Sie war schon nicht mehr ganz bei sich und vom Morphium umnebelt - aber es war ganz eindeutig, was ihr dringendster letzter Wille ist. Völlig egal, ob der "durchdacht" war oder nicht.

Zitat:
Vielleicht kann man ja auch meinen Kampf für sie auch nicht als egoistisch von mir sondern als Liebe bezeichnen.
Versuch' bitte, auch harte Worte nicht so ganz persönlich zu nehmen. Du bist gerade in einer extrem schwierigen Situation gefangen. Und kannst in dieser Situation deine Entscheidung ebenso wenig "endgültig durchdenken" wie deine Mutter die ihre. Dafür ist gerade alles viel zu schnell und zu belastend. Insofern sind klare Worte mitunter vielleicht nicht verkehrt.

Dass du deine Mutter liebst und das beste für sie willst, ist für mich offensichtlich. Und vielleicht hilft es letztendlich, die Perspektive ein bischen von deinem Besten weg und zu deiner Mutter zu lenken.

Viele Grüße,
Stefan
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