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Alt 20.02.2010, 12:49
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JayAutumn JayAutumn ist offline
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Registriert seit: 15.02.2010
Beiträge: 6
Standard AW: Und nachts kommen die bösen Gedanken...

Hallo!

Erstmal vielen Dank für die unterstützenden Worte! Das hat wirklich gut getan.
Wisst ihr, bei mir gibt es wirklich kaum jemand mit dem ich darüber sprechen kann.
Irgendwie wollen diese "Freunde" sich über ihre Beziehungsprobleme etc pp bei mir ausheulen aber nie hören, was ich auf dem Herzen habe, weil sie wissen, dass es unangenehm wird.

Da ich leider keine Geschwister habe und familiär vollkommen im Stich gelassen wurde, bin ich wirklich froh einen Weg gefunden zu haben (Zitat meiner Patentante: Stell Dich nicht so an, weinen bringt gar nichts. Was soll ich denn sagen?!? Sie ist meine Schwester...-das sagte sie, als ich am zweiten Tag nach der Diagnose verzweifelt an ihrer Tür stand).

Bald ist das erste Jahr schon vorbei...wenn ich im Moment zurückblicke, hat es NICHTS gebracht.
Zwischendurch gab es durchaus einige Höhen, die wir auch in vollen Zügen genossen haben.
Auch als sie Weihnachten isoliert werden musste, habe ich tapfer versucht das Beste daraus zu machen und war bestrebt sie ständig zum Lachen zu bringen, auch wenn sie mich nur mit Mundschutz und so sehen durfte.

Aber jetzt scheint alles wieder in die andere Richtung zu gehen.
Die letzte Woche war einfach nur Horror. Besonders gestern.
Meist war wenn nur ein Wert nicht so toll...Diesmal sind es die Leukos, Natrium und Kalium zusammen. Und wir wissen-wussten nicht woran es liegt.

Sie wurde immer schwächer, ist seit Dienstag im Krankenhaus, Chemo natürlich schon wieder verschoben, und seit Mittwoch haben wieder diese verfluchten Wesensänderungen begonnen.

Sie vergisst alles, ist wirklich wie ein kleines Kind.
Eine Psychologin sagte mir mal, dass ich aufpassen soll immer Tochter zu bleiben und nicht Mutter der Mutter zu werden.
WIE GEHT DAS ????
Wenn die Mutter nicht essen will, stur und motzig ist wie ein Kind.
Ich bleibe auch immer ruhig, weiß auch nicht woher ich die Engelgeduld hernehme, aber ist ja gut, dass es geht.

Was würdet Ihr tun, wenn die eigene Mama so verwirrt ist, dass sie der eigenen Tochter sagt, sie hätte sie nicht mehr lieb!

Als ich versuchte ihr Kreuzworträtsel vorzulesen,dass sie es lösen könne, sagte sie immer das GEgenteil.
Sagte ich "nahe"-sagt sie "fern".

Wie soll ich mich da verhalten? Scherzt sie oder soll ich sie im Glauben lassen, es sei richtig???

Ich wüsste so gerne wie sie die Welt in diesen Momenten sieht. Man kommt aber gar nicht an sie ran.

Ich bin ja froh, dass ich gutes Feedback von den Schwestern und sogar den Zimmergenossen und deren Angehörigen bekomme, wie toll ich alles meistern würde. Ich würde ja auch alles tun, wenn ich nur wüsste was.
Es ist nie genug.

Ich gehe sogar seit einem Jahr regelmäßig zur Blutspende. Die Leute lachen immer warum ich mir das antäte. Ich habe einen riesen Ekel davor. Aber das ist ein Weg den ich entdeckt habe um irgendwas zu tun. Ich will soviel Blut geben, wie es meine Mama bekommen hat um mich zu bedanken.
Leider muss ich dann noch öfter ran...

Aber was ich eigentlich heute schreiben wollte:
Gestern habe ich nach einem besorgten Telefonat mit ihrem Lebensgefährten meine Arbeit mittags abgebrochen und bin sofort zu ihr gefahren, da er wegen einem Termin verhindert war.

Ich kam um halb drei dort an und sah meine Mama neben ihrem unangerührten Mittagessen. Sie sagte erst, dass Essen wäre eben erst gekommen. Da ich aber mittlerweile die Essenszeiten sehr gut kenne, wusste ich, dass das schon weit über einer Stunde dort stand.
Dann sagte sie ,sie habe keinen Hunger.

Ich hab ihr dann alles vor die Nase gestellt, ausgepackt und eine Gabel in die Hand gedrückt und siehe da: Sie hat alles leer gegessen - ohne Widerworte.
Dann habe ich eines ihrer Medikamente in Wasser aufgelöst und wie bereits am Mittwoch hat sie sich geweigert das zu trinken.
Da kam wieder der Rollentausch ins Spiel.
ICh hab alles versucht. Als ich sie mit SCHOKOLADE bestochen habe und ihren Pudding weggenommen habe, hat sie wenigstens innerhalb einer halben Stunde die Hälfte getrunken.
Dann rief ihr Freund an. DAzu muss ich sagen. Es ist unser Glück, dass er im selben Krankenhaus als Krankenpfleger arbeitet, sogar bis zur Erkrankung meiner Mutter auf der Onkologie war.
Jedenfalls sagte er mir, dass er morgens bei ihr war und sie nass aufgefunden hatte. Das ist nicht unbedingt etwas neues. Neu ist nur, dass sie eigentlich gut Laufen kann und dann immer gegangen war. Er nahm sie dann trotz Widerworte mit zur Toilette und anscheinend war immer noch genug Druck, den sie nicht spürte.
Also tat ich das Selbe. Natürlich wollte sie erst nicht, weil sie nicht musste.
dann hat sich das GEgenteil bestätigt. Aber sie wollte nach ihrem GEschäft nicht gleich ins Zimmer zurück und setzte sich auf einen stuhl.
Da hab ich sie in den Arm genommen und erklärt, dass ich es bestimmt nicht böse meine, wenn ich ihr sage die Medizin zu nehmen (wurde dort von ihr u.a. als gemein beschimpft). Und jetzt kommt der Hammer:
Das sitzt meine kleine Mama, die dieses Jahr 50 werden soll, stolz wie Oskar und strahlt mich an: wenigstens könnt ihr mich nur zwingen die Medizin zu nehmen wenn ihr da seit! Aber ihr könnt nicht immer da sein!
Das hat gesessen.
Auf ihrem Zimmer zurück hat sie mir ihr Tablettenversteck gezeigt.
Hab die Tabletten genommen und gesagt, ich würde sie entfernen.
Sobald ich aus dem Zimmer war konnte ich nur noch weinen.
Bin zum Schwesternzimmer, wo ich zum ersten Mal auch ein wenig Trost bekam.
Sie versprachen mit dem Arzt zu sprechen und sie nicht mehr mit Tabletten alleine zu lassen.

Und nun?
Muss ich natürlich auch stark sein und immer wieder aufstehen.

Gleich fahre ich zu ihr, tröste danach meine Oma, die auch fix und fertig ist, fahr dann nochmal zu ihr und wieder nach Hause, wodann nur meine Gedanken auf mich warten.

Ich habe wieder einen riesen Roman geschrieben Tut mir leid...aber ich kann mich da schlecht halten...vielleicht lerne ich es noch...

Liebe Grüße an ALLE !
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***Bitte nicht um eine leichte Bürde - bitte um einen starken Rücken***

Theodore Roosevelt (1858-1919), amerik. Politiker, 26. Präs. d. USA (1901-09)


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