Hi Janette :-)
Ja.. im großen und ganzen ist es richtig, aber... ich zum Beispiel hatte null Chance auf eine Auszeit... ich hätte sie aber auch nicht gewollt... weil in dem Moment jemand anderes hätte auf meine Mom aufpassen müssen... und das wollte ich nicht... das wollte ich ihr nicht antun... das Gefühl einen "Babysitter" zu brauchen...
Die ganze Erkrankung ist schon "würdelos" genug... aus einem erwachsenen Menschen wird irgendwann ein hilfloses Bündel... und ICH wollte da auch nicht dauernd irgendwelche Fremden um mich herum haben wollen...
Es gab ein schlimmes Beispiel bei uns... meine Mom hatte Durchfall, hat es aber nicht bemerkt... irgendwann wollte sie auf den Toilettenstuhl... gesagt, getan... Mom hochgehievt (sie konnte nicht mehr alleine stehen), gehalten mit der einen, ausgezogen mit der anderen Hand... und dann... der Durchfall... überall...
Was sollte ich tun? Einhändig halten und säubern zugleich ging nicht, ins Badezimmer ging auch nicht, war zu weit... sie hätte es auch nicht geschafft... im Bett liegend ging auch nicht... ihre Hüftprothese bereitete ihr zu große Schmerzen...
Dann klingelte es an der Tür... ein guter Freund von mir... ehemaliger Krankenpfleger...
"Gott, Dich schickt der Himmel"...
Beide also im Wechsel meine Mom gehalten und gesäubert... als wir fertig waren und Mom wieder im Bett lag, kullerten ihr die Tränen: "Ich will nicht dass die Männer mich so sehen"
Ich bat den "Pflegedienst" darum mir zu helfen wenn das nochmal passiert... es ginge dann einfach schneller, routinierter...
Nein, also DAS könnten sie mir nicht zusagen...


Statt Hilfe und Unterstützung kamen nur Psychoterrorspielchen seitens des ambulanten Hospizes.
Kleines Beispiel, ca 3 Wochen vor Mom's Tod. Pflegedienstler C. spricht mit meiner Mutter, kommt raus zu uns auf die Terrasse... schaut mich an und sagt: "Na, kein Wunder dass Ihre Mutter nicht gehen kann... Ihre Bindung ist zu stark... Sie müssen ihr sagen dass Sie sie loslassen, und im Übrigen will Ihre Mutter Ihnen auch etwas sagen"
Ich dappe also rein... gehe zu ihr... setze mich auf ihr Bett,... frage sie was sie mir sagen will...
Kopfschütteln...
Und ich, wie ein hirnloser Lemming, renne sehenden Auges in mein Verderben und sage ihr dass es ok ist... wenn sie geht.
Ooooha.... sie war stinksauer... STINKSAUER!
Später stellte sich heraus dass der verdammte Pflegedienstler das gleiche zu ihr sagte... dass sie mir sagen müsse dass sie gehen wolle... unsere Bindung sei zu stark?!?
Ich hasse ihn heute noch dafür...
Nein, ich wollte meine Mom nicht gehen lassen, ich musste!!!
Einige Tage später erzählte exakt dieser Mensch ihr,... wenn sie sich nur stark genug darauf konzentrieren würde dass sie nicht mehr wolle, dann ginge das auch...
Und dann... irgendwann... sitzt dieses kleine Häufchen Elend auf ihrem Nachstuhl- reckt die Arme hoch- und sagt, völlig verzweifelt... "Der da oben will mich noch nicht... ich hab' mich so konzentriert weil ich Dir das alles nicht antun will"
Und ich sagte... "Irgendwann Mom... wird "ER" Erbarmen haben,... aber von MIR aus.. bleib für immer hier"
Ist doch logisch dass ich bei all dem was da passierte jedesmal wie ein Schiesshund daneben stand wenn der Pflegedienst da war...
Zumal... eine Hilfe waren sie eh nicht. Ich habe ihr die Medikamente gegeben, Morphium gespritzt... sie versorgt, gefüttert, gewaschen...
Der "Pflegedienst" hat NICHTS von alledem übernommen,... naja... im Endeffekt gut so.
Tja... das alles läuft mir heute noch nach... und noch heute wüsste ich nicht wie ich es anders hätte bewältigen können...
Das aller, allerwichtigste ist dass der Erkrankte seine Würde bewahren kann... soweit es geht
Die Angehörigen kippen eigentlich nicht aus den Latschen... sie funktionieren... "danach" wird es meist erst richtig schlimm...
Ich habe in den neun Monaten wirklich funktioniert, ich hatte eine Energie... von der träume ich heute.
Ich bin dankbar dass ich sie begleiten durfte, dass wir bis zu ihrem letzten Atemzug bei ihr sein durften... ich habe sie danach gewaschen und angezogen... und sie war noch 8 Stunden bei uns... wir konnten uns in aller Ruhe verabschieden... ich hätte sie am liebsten noch Tage länger bei uns gelassen... wollte das aber meiner Tochter nicht antun.
Es war die härteste Zeit meines Lebens, aber... ich habe sie überlebt... und meine Mom nicht... und dass sie Todesangst hatte, das war das allerschlimmste für mich... und ist es heute noch.
Ich glaube nicht an Gott... aber ich wünschte dass ich nochmal eine einzige Minute mit meiner Mom hätte... dass sie mir sagen könnte, dass jetzt alles gut ist... dann könnte ich auch besser damit "leben"
Liebe Grüße
Jasmin