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Alt 02.09.2010, 08:09
Frank9911 Frank9911 ist offline
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Standard AW: Magenkrebs im Endstadium

Liebe Ulrike,
ich kann mir ganz genau vorstellen, wie Du Dich fühlst.
Meine Mutter ist im Februar an den Folgen von Magenkrebs gestorben. Es kommen ganz unterschiedliche Phasen der Trauer und auch der Verarbeitung. Sie hat sehr lange gelitten - Magenkrebs und Totalentfernung - Darmkrebs - Bauchspeicheldrüsenkrebs - Milzentfernung - Nierenversagen und letzlich Bauchfellbefall, der in die Organe drückte. Zwei Tage vor Ihrem Tod wurde auch noch Knochenkrebs festgestellt - sie durfte nicht einmal mehr aufstehen. Da hat Sie mich gefragt, ob ich verstehen kann, wenn sie nicht mehr wolle. Ich habe da erstmals gemerkt, dass sie nun gehen wird und habe das auch aus ihrer Sicht verstehen könnnen. Leider habe ich mir da aber immer noch nicht klar machen können oder wollen, dass der Zeitpunkt immer näher rückt und ich habe es verpasst, mich voll auf die Bedürfnisse meiner Mutter zu konzentrieren. Sie ging, ohne dass ich es geschafft habe, Klarheit in unsere Beziehung zu bringen und ihr zu sagen, wie lieb ich sie habe und dass sie nun gehen kann, ohne Angst. Ich sehe - wie es bei uns in der Familie auch war - dass Dinge passieren, die mit dem Wohl oder den aktuellen Bedürfnissen Deiner Mutter recht wenig zu tun haben. Zank (wenn auch berechtigt) mit dem Lebenspartner Deiner Mutter und das, was Deine Mutter im Moment wirklich braucht. Verpasse es nicht, ehrlich mit Deiner Mutter zu reden und konkret zu fragen, was Sie sich wünscht. Verpasse nicht, aufrichtig zu sein und auch über den Tod zu reden. Ich habe es micht nicht getraut und spüre im Nachhinein, dass nur wir dem Sterbenden diese Ängste vor dem Tod nehmen oder zumindest lindern können. Diese Nebenkriegsschauplätze, um es mal so zu nennen, lenken natürlich auch ab und helfen zu verdrängen. (Vielleicht geht es dem Lebensgefährten Deiner Mutter auch so und er kann sich nicht mit der schrecklichen Situation auseinandersetzen). Mach Du das , was Dir und Deiner Mutter gut tut und schau auf sie. Ich habe es bitter bereut, dass ich mich nicht getraut habe, mit ihr zu reden. Mein Vater hat sich in den letzten Monaten, die meine Mutter noch lebte, völlig merkwürdig verhalten, manchmal auch wie ein A...., aber er konnte nicht aus seiner Haut. Klammerte sich an die Hoffnung, dass meine Mutter noch ein paar Jahre hat und konnte nicht hören, dass meine Mutter auch mal sterben muss. Er beschäftigte sich plötzlich mit Dingen, die völlig unwichtig waren und wir haben uns auch ständig gestritten. Am Schluss bleibt jedoch die Erkenntnis, dass es die reine Hilflosiglosigkeit war und erst als die Todesnachricht dann telefonisch kam, konnte er sich mit dem Sterben auseinandersetzen. Vorher hat er das Thema einfach ausgeblendet. Heute empfinde ich es als Erleichterung, dass meine Mutter sterben durfte und ich weiss, dass sie mir verzeihen würde, dass ich nicht mit ihr über ihr Befinden reden konnte. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass ich ihr Vieles hätte leichter machen können. Es ist - so traurig das klingen mag - für Dich und Deine Mutter eine Chance, Euch zu zeigen, wie wichtig ihr Euch seid. Ich bin sicher, dass ein Sterbender spürt, dass er gehen muss und genau diese Zuwendung braucht. Verpasse diese Chance nicht!

Ich wünsche Dir alles Gute und ganz viel Kraft.

Frank
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