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Alt 03.01.2011, 17:04
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Standard AW: Chemo bei ProstataCa wird nicht besser

Liebe Victory.
Ich denke nicht, dass jemand aufschreit, weil du schreibst, was du darüber denkst.

Ich kann nicht für uns alle sprechen, aber ich mache mal den Anfang:
Du hast Recht - wir leben im Jetzt.
Ich lebe aber mit der Liebe und Verbundenheit zu meinem Papa, die aus der Vergangenheit kommt, bis jetzt anhält und mich in der Zukunft begleitet. Weil mich diese Liebe und Verbundenheit zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Eine Frau, die selbstständig ist, im Leben steht und sich weiteren Krisen stellen kann.

Ich will die Vergangenheit nicht Vergangenheit sein lassen, weil mir grade die schönen Momente die Kraft geben, mit diesem Verlust weiterzuleben.
Die schlimmen Momente haben mich stolz und stark gemacht, denn ich habe meinen geliebten Papa begleiten dürfen und eine seelische Arbeit geleistet, die noch nicht jeder Mensch in meinem "Mittelalter" erlebt hat.
Das soll nicht hochtrabend sein, auch wenn es so klingt.
Ich bin sehr, sehr stolz darauf, meinen Papa in seiner schlimmsten Zeit begleitet zu haben. Ich bin auch stolz darauf, dass mich diese Erfahrung geprägt hat. Neben seelischen Schmerzen habe ich durch seine Krankheit viel Wissen erlangt, dass ich heute weitergeben kann.
Mich traf seine Krankheit, als ich noch keine weiteren Verluste zu beklagen hatte. Niemals vorher ist ein Mensch gegangen, der mir so unendlich nah war wie mein Papa. Ich glaube, das trifft "Kind" immer wie einen Hammer - "Frau" sicher genauso. Ich will keine Unterschiede feststellen.

Ich denke, dass während der finalen Phase bei den verschiedensten Menschen die unterschiedlichsten Dinge passieren und da wir nicht alle gleich sind, gehen wir alle anders damit um.

Unsere Papas hätten nicht gewollt, dass wir uns hängenlassen. Das stimmt.
Für mich haben verschiedene Trauerphasen oder Gefühlszustände - egal, wie lange sie anhalten - nichts mit Hängenlassen zu tun.
Hängenlassen bedeutet für mich Aufgeben. Das hat weder mein kranker Papa gemacht noch ich nach seinem Tod.
Ich habe meine Schwächen erkannt, meinen Schmerz rausgelassen und gemerkt, dass ich doch verwundbarer bin, als ich dachte.

Manche haben Familien, die einen auffangen, manche machen das mit sich selbst aus, wieder andere stürzen sich in Projekte, die Ablenkung verschaffen.
Egal, welcher Weg gewählt wird, soll er dazu dienen, mit dem Verlust umzugehen. Es gibt leider keine 10 Gebote der Trauerbewältigung, lediglich unterstützende Hilfestellungen von schlauen Büchern oder Therapeuten passender Art.

Ich glaube nicht, dass wir Mädels, die wir hier schreiben, uns jeden Tag mit dem schlimmsten Erlebnis beschäftigen. Aber es gibt Situationen, Dinge, Begebenheiten, die uns wieder daran erinnern und die Gefühle aufwühlen.
Bei mir sind es jetzt 3 Jahre, dass mein Papa nicht mehr da ist. Bei den anderen Mädels sind es teilweise nur wenige Wochen her...

Wir Mädels kennen uns alle nicht persönlich, aber durch die verschiedensten Beiträge kann sich jeder ein kleines Bild von der anderen machen.
Mein Eindruck ist, dass jede für sich nach Außen stark ist und ihr Leben meistert. Da hängen kleine Familien, ein neuer Job, Karrieren etc. dran.
Wenn aber die schwachen Momente kommen - und die kommen! -, dann schreibe z. B. ICH mir die von der Seele und bin sehr froh, wenn sich andere vielleicht erkennen können.
Mitunter habe ich von mir selbst gedacht, dass ich sie nicht alle hätte, aber dafür durfte ich lesen, dass meine Reaktionen oder Gefühle teilweise normal sind und auch von anderen gefühlt werden.

Ich finde es schön, dass du geschrieben hast und von deiner Sichtweise erzählst. Grade weil wir alle so verschieden sind und jeder seine Meinung sagen darf, ohne kritisiert zu werden, kann ein ernstgemeinter Beitrag wie deiner auch hilfreich sein.
Vielleicht schreiben die anderen Mädels auch einen Kommentar, denn ich möchte niemandem etwas in den "Mund" legen mit meinem Text. Ich habe einfach nur reagiert

Victory, ich wünsche dir und deinem Mann weiterhin alles Gute und positive Ergebnisse in diesem Jahr.
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007

Geändert von Annika0211 (03.01.2011 um 17:10 Uhr)
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