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  #1  
Alt 29.05.2016, 11:56
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

ich musste lächeln, als ihr deine Zeilen gelesen habe, denn ich fühle ähnlich wie Du. Die Angst ist weg. Das war im ersten Moment auch eine große Erleichterung, so schlimm das auch klingen mag. Jeden Morgen habe ich sonst auf das Telefon gesehen. Blinkt der Anrufbeantworter ? Wie klingt sie heute am Telefon? Wie lange noch? Wie wird es zuende gehen?? Es war eine unglaubliche Anspannung. Als diese sich löste, war ich zum Teil auch erleichtert. Ich fand es auch schlimm, dass man mit seinen Ängste nirgends hin konnte. Ich wollte meiner Mutter gegenüber stark sein, sie aufbauen und nicht noch zusätzlich "schlechte Stimmung" verbreiten. Auch meinem Papa gegenüber, der auch am Stock ging. Hinzu kam die Erkrankung meiner besten Freundin die psychisch sehr sehr angeschlagen war. Auch hier konnte ich meine Verlustangst nicht äußern. Ich finde , die Beziehungen werden so unehrlich weil jeder versucht dem anderen nicht zur Last zu fallen. Ich bereue es heute sehr, dass ich mit meiner Mutter nie offen sprechen konnte. Wir haben nie über den Tod gesprochen, geschweige denn uns verabschiedet. Das fehlt mir heute. Ich weiß nicht wieviele Ängste sie ertragen hat... Ganz leise, für sich... Hat sie gewusst dass sie stirbt? Sie hat mich in den letzten Tagen immer so flehentlich und panisch angesehen wenn ich gefahren bin.. Das belastet mich heute sehr.
Aber wahrscheinlich findet man immer etwas was im Nachhinein vielleicht "falsch" gelaufen ist, etwas was man bereut..

Bei Zürich? Da war ich am letzten Wochenende! Haben einen Freund meines Mannes besucht der dort wohnt. Schöne Stadt!

Auch dir ein schönes WE!
Ich freue mich dass wir uns schreiben!

Jana
__________________
Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #2  
Alt 30.05.2016, 10:41
Lella Lella ist offline
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Standard AW: Unbegreiflich

Liebe Jana

Ja, es ist schön, dass wir uns schreiben

Ich kann Deine Gedanken so gut nachempfinden. Ja, die Erleichterung war irgendwie riesig. Ich war in erster Linie einfach mal froh, dass er nicht mehr leiden musste. Körperlich und vor allem auch psychisch. Und ich war irgendwie auch erleichtert, dass ich nicht mehr leiden musste, unter dieser Daueranspannung, diesem Dauerzustand der Angst, was wohl als nächstes passiert. Dass ich einfach mal mehr als 1-2 Stunden am Stück schlafen konnte.

Treffend was Du sagst, ja, die Beziehungen werden unehrlich. Und leider bleiben sie es auch. Man versucht den Schein zu wahren, niemandem zur Last zu fallen. Ich merke das heute noch. Die meisten Menschen sprechen nicht gerne über Tod und über Krankheit. Und man verschont sie, obwohl es selbst ein Jahr "danach" immer noch das eigene Hauptthema ist. Es ist schwer mit jemandem offen darüber zu reden, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Wer will das schon hören? Ich habe vor kurzem einen Text gelesen dazu, der mich sehr berührt hat. Dort schrieb die Autorin so in etwa: "Der Tod ist wie ein grosser Sarg, der nicht durch den Türrahmen passt".

Ich glaube, man findet immer etwas im nachhinein, ich glaube, das ist normal. Aber es sind auch Gedanken, die einem nicht weiterbringen auf Dauer. Denn leider kann man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Aber weisst Du, wenn Deine Mutter wirklich hätte mit Dir über den Tod reden wollen, dann hätte sie das getan. Oder wenn sie sich hätte verabschieden wollen. Vermutlich hätte ihr das aber selbst zu weh getan und darum hat sie es auf ihre Art und Weise gemacht, still und leise. Und wahrscheinlich hat sie gewusst, dass sie stirbt, aber sie wollte Dich, euch, sich selbst schützen. Es war wahrscheinlich für sie gut und richtig so wie es war...

Liebe Grüsse und einen guten Start in die Woche
Lella
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  #3  
Alt 02.06.2016, 12:29
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Standard AW: Unbegreiflich

Liebe Lella,

der Spruch mit dem Sarg, der nicht durch die Tür passt, beschreibt es wirklich sehr sehr gut!
Eine Kollegin von mir sagte, als sie erfuhr, dass meine Mutter gestorben war, :"Oh Gott oh Gott, ich will das gar nicht hören. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter nicht mehr lebt... Nein, ich will da gar nicht drüber nachdenken." Das war direkt, beschreibt aber glaube ich, was die meisten Menschen denken. Und es ist ja auch ok. Dennoch fühle ich mich irgendwie nicht mehr zugehörig. Ich kenne niemanden, der seine Mutter nicht mehr hat und du kennst wahrscheinlich auch keine Witwe in Deinem Alter. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt, geht Dir das auch so? Ich spüre auch schnell, wenn jemand ähnliches erlebt habe. Neulich war ich bei Freunden und unterhielt mich mit einer, mir bis dahin fremden, Frau in meinem Alter. Ich weis nicht, wie wir darauf kamen, denn eigentlich erzähle ich nicht rum, dass meine Mutter tot ist, aber wir kamen auf das Thema Tod. Sie erzählte mir, dass sie ihren Vater durch Krebs verloren hat und das schaffte gleich eine große Nähe zwischen uns. Irgendwie spürt man diese Wunde in anderen Menschen.

Gestern habe ich mich mal wieder mit meinem Bruder getroffen. Bevor unsere Mutter krank wurde, haben wir uns ca 4 mal im Jahr gesehen, höchstens. Eigentlich nie telefoniert. Jetzt telefonieren wir mehrmals in der Woche und sehen uns einmal im Monat. Der Kontakt ist so wunderschön geworden!
Wir waren essen und hatten einen wirklich wunderbaren Abend. Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass wir enger zusammenrücken...jetzt ist es wie ihr Vermächtnis dass wir das auch tun. Er ist ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben geworden.
Hast Du Geschwister?

Lella, ich wünsche Dir eine schöne Restwoche mit ein wenig Sonne. Hier ist seit Tagen immer wieder Unwetter mit Starkregen...

Alles Liebe Jana
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Meine Mutter:
Pankreas-Ca ED 7/2014
verstorben am 3.11.15

Immer in meinem Herzen...
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  #4  
Alt 02.06.2016, 15:54
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana

Solche Reaktionen kenne ich. Ich kann den Gedanken, den diese Menschen haben auch nachvollziehen. Aber gleichzeitig macht mich eine solche Reaktion unglaublich sprachlos und wütend. Sie verletzten mich. Denn Himmel noch mal, das kann man doch so nicht sagen?! Das kann man denken... Es ist traurig, wie wenig die Menschen wirklich mit dem Thema umgehen können. Ein ernstgemeintes "es tut mir leid" würde doch schon ausreichen...

Es geht mir genauso, es ist treffend. Ich fühle mich nicht dazu gehörend. Und ich weiss auch, dass ich über ein Thema, dass mich sehr beschäftigt nur selten sprechen kann. Ich spreche viel über meinen Mann, erzähle Anekdoten oder Geschichten von früher. Oft merke ich, wie die Menschen dann zusammen zucken. Aber ich will ihn nicht totschweigen, es reicht, dass er tot ist. Und ich spüre auch eine Verbundenheit mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben. Denn ich glaue, bei aller Empathie kann man das einfach nicht nachvollziehen. Ich habe mir das alles ja auch ganz anders vorgestellt.

Wie schön, wie sich die Beziehung zu Deinem Bruder entwickelt hat! Auch bei mir gibt es Beziehungen, die extrem gewachsen sind, seit mein Mann gestorben ist. Und ich bin dafür unendlich dankbar. Ich bin sogar davon überzeugt, dass für einige mein Mann ganz direkt verantwortlich ist, indem er Menschen damit beauftragt hat, für mich da zu sein. Und die sind das ganz wunderbar.

Ich habe keine Geschwister, nein.

Auch Dir etwas Sonne, hier ist es irgendwie ein Mix zwischen Regen, Sonner und grau in grau...

Ich grüsse Dich ganz lieb, hoffentlich bis bald!
Lella
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  #5  
Alt 06.06.2016, 22:55
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

ich glaube einfach auch, dass die Liebe Deines Mannes immer in Dir/ um Dich ist. Ihr scheint eine sehr warme, offene Beziehung gehabt zu haben, auf Augenhöhe, liebevoll aber unabhängig. Zumindest "höre" ich das so raus. Und ich glaube, dass seine Liebe Dich jetzt immernoch trägt. Die Liebe stirbt eben nicht.

Fühl Dich umarmt von Jana!
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  #6  
Alt 27.06.2016, 00:17
Lella Lella ist offline
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Liebe Jana
Schon wieder ist so viel Zeit vergangen, manchmal komme ich einfach nicht zum schreiben. Danke für Deine liebe Worte möchte ich aber dennoch sagen.
Ja, Du hast es gut getroffen, wie Du unsere Beziehung beschreibst. Unsere Beziehung war in dieser Hinsicht sehr speziell, ich habe mit ihm erlebt, wie schön Liebe sein kann, wenn man einfach geniesst zusammen zu sein und nicht besitzen will. Wir haben einander nicht "gehört", aber wir wussten, wir gehören zusammen. Mit allen Höhen und Tiefen. Nein, die Liebe stirbt nicht, auch die Liebe zu Deiner Mama nicht.
Ich würd mich freuen, zu hören, wie es Dir geht.
Liebe Grüsse und eine Umarmung zurück.
Lella
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  #7  
Alt 09.07.2016, 23:28
LiebesHerz LiebesHerz ist offline
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Liebe Lella,

Ich habe irgendwie überlesen, dass Du mir geschrieben hast.. Freue mich!

Deine Idee mit dem Blog finde ich wirklich gut und gelungen. Ich finde, schreiben hilft nochmal enorm, alles zu verarbeiten. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich will auch nicht ständig andere damit "nerven", so richtig versteht es ja doch keiner was ich aber niemandem zum Vorwurf mache .
Ich bin gerade auf Amrum, wir fahren hier sehr häufig hin. Auch damals, als meine Mutter krank wurde. Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht mit Gelbsucht und wir sind zwei Tage später losgefahren. Ich stand stundenlang vor meinem Koffer und habe überlegt, ob ich ihn nun einpacke oder nicht, ob ich mitfahre oder nicht. Habe mich dann entschieden mitzufahren. Hier habe ich die Zeit wie in Trance erlebt. Habe pausenlos im Internet recherchiert, auch hier im Forum. Jeden Tag Telefonate mit der Klinik. Es war eine ganz schreckliche Zeit. Aber meine Mutter war noch da... Sie fehlt mir so sehr. Ich bin in einem Moment zum platzen glücklich; heute zB als wir am Strand spazieren fahren und eine Robbe im Wasser beobachten konnten. Die Weite des Meeres, die Sonne, alles das war so schön. Und dann bin ich wieder sehr sehr traurig, vermisse sie so sehr...
Ich träume hier auch wieder viel von ihr.
Meinem Bruder geht es ähnlich. Er hadert damit, dass er sie nicht wie eigentlich geplant war, an ihrem letzten Tag besucht hat, sondern den Besuch auf den folgenden Tag verschoben hat. In der Nacht ist sie gestorben. Niemand hat das doch ahnen können! Oder waren wir alle blind für die Zeichen?
Mit meinem Vater kann ich über den Verlust nicht sprechen. Er lenkt sich durch maßlose Aktivität ab. Aber immerhin säuft er nicht und ich lasse ihn so leben, wie er möchte und am besten klarkommt. Jedem seine Form der Verarbeitung.

Ich genieße die Tage hier dennoch sehr. Ich liebe diese Insel. Wir haben eine sehr schuckelige Wohnung von der man direkten Meerblick hat. Hier sitze ich in einer kleinen, windgeschützten Loggia und gucke aufs Wasser. Es tut so gut.

Du hast mal geschrieben, dass es nie wieder so wird wie früher, dass man sich aber an dieses neue Leben gewöhnen kann, es einfach Zeit braucht, ehe man sich darin zurechtfindet. Genauso empfinde ich es auch. Die Trauer wird immer zu unserem Leben dazugehören, sie wird nie vergehen. Aber wir werden einen neuen Abschnitt unseres Lebens leben. Unfreiwillig zwar, aber auch dieser Abschnitt wird glücklich sein können.

Sei lieb gegrüßt von der Jana
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