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			#1  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Lieber Stefan, 
		
		
		
		
		
		
			ähnlich, wie Du es beschrieben hast, habe ich es auch erlebt...die seelische Erschöpfung, diese Hilflosigkeit, wenn der Partner immer "weniger wird", seine Lebensqualität immer mehr eingeengt wird...in unserem Fall auf "Bolus runter" = wacher; kann sich mit seiner Frau verständigen...zu "Bolus höher" = schläft tief, hat dafür aber keine Schmerzen  . Ich war, vor allen in den letzten Tagen, völlig fertig nach 1 Stunde am Bett sitzen, ohne reden zu können, kaum die harte aufgequollene Haut streicheln zu können...Von mir von ganzem Herzen für Dich: Eine ganz liebe Umarmung ![]() und meinen Respekt dafür, wie Du für Deine Frau einfach da bist; ihr Deine Liebe schenkst; Gute Wünsche für euch beide, dass ihr noch eine schöne Zeit haben dürft - und wenn, es denn möglich ist, dass ihr zu Hause    gemeinsam Weihnachten verbringen könnt.LG Morgana 
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	Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten. [Indianische Weisheit]  | 
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			#2  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Die letzten drei Monate waren ein ständiges Auf und Ab. Es gab bessere Tage, an denen wir noch stundenweise zusammensitzen konnten, und mit dem Rollstuhl noch kleine Ausflüge machen konnte. Und es gab schlechtere, an denen sie das Bett fast nicht verlassen hatte. 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	In der Vorweihnachtszeit haben wir zusammen noch die Wohnung ein wenig dekoriert und am Hl. Abend hat sie munter über viele Stunden mit ihrer Familie durchgehalten und sie hatte ein sehr schönes Weihnachtsfest, mit ihren Söhnen, ihrem Lebensgefährten, mit ihrer Mutter, dem Stiefvater, ihrer Schwester und deren Mann und dem Neffen. Mein Mann und ich waren auch für zwei Stunden zu Besuch und es war schön sie so heiter und fröhlich zu sehen. Sie filmte und fotografierte und wir haben Sekt getrunken. Am Silvestertag fing es an, dass sie immer mehr schlief, im wachen Zustand verwirrter war, irgendwie nicht so richtig da. Wenn sie mal die Augen öffnet und spricht, sind es öfters Dinge, die nichts mit der Realität zu tun haben. Sie vermischt das Jetzt und Vergangenes oder Geträumtes...so genau kann man das nicht sagen. Nun liegt sie seit 4 Tagen eigentlich nur noch, vielleicht mal auf die Toilette...und das wars. Ihre Kräfte verlassen sie, sie kann kein Glas mehr halten. Es wird schwieriger ihr ihre Medikamente zu geben, zusätzlich hat sie auch eine Lungenentzündung bekommen. Wir versuchen jetzt in erster Linie ihr die Medikamente zu geben, die ihr die Schmerzen und die Angst nehmen. Ihre größte Angst war immer qualvoll ersticken zu müssen und das versuchen wir zu verhindern. Wir zwingen sie nicht zu essen, wenn sie nicht will - beim Trinken nicht anders. Hin und wieder ein Schluck mit dem Strohhalm. In einem wacheren Moment hat sie gesagt, sie möchte mit ihren Söhnen nochmal reden und auch ihren ungeliebten Ex-Mann möchte sie noch einmal sehen/sprechen. Auch hat sie das erste Mal ausgesprochen, dass sie nicht mehr will. ...oh mann, ich schreibe das alles hier so sachlich nieder....auch wenn ich bei ihr drüben bin, benehme ich mich irgendwie so "nüchtern". Ich sitze bei ihr am Bett und streichle sie, während sie schläft, dabei wandern meine Gedanken und ich würde ihr gerne sagen, das ich so dankbar bin, dass ich sie 13 Jahre als meine beste Freundin haben durfte. Ich weiß noch genau den Moment, als ich sie das erste Mal sah, ich weiß was sie anhatte und wie ihre Haare waren - und eigentlich war es Liebe auf den ersten Blick! Aber ich spreche es nicht aus. Auch ihre Familie ist einfach wunderbar, ein großer Zusammenhalt, wir sind immer schon gut miteinander ausgekommen. Wir reden auch viel in diesen Tagen, sie behandeln mich wie ein Familienmitglied. Ich bin jeden Tag bei ihr, mal kürzer, mal länger, manchmal bekommt sie es gar nicht mit. Und wenn ich dann zuhause bin und tiefer nachdenke, dann kommen auch die Tränen. Aber nun scheint es so, als ob sie wirklich in den nächsten Tagen sterben wird. Ich mag das immer gar nicht aussprechen. Es ist so schrecklich und doch bin ich für sie dann froh, wenn sie es geschafft hat.  
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			#3  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Liebe Irmi, 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	auch ich habe meine beste Freundin (Ich zünde eine Kerze an für ULLA, zuletzt 24.12.08) durch diesen Prozess begleitet - vieles, was Du beschreibst, erinnert mich an Ullas Weg. Die beste Freundin begleiten zu dürfen/müssen ist etwas ganz besonderes - genau wie diese Menschen . Und man ist hin und hergerissen zwischen dem Registrieren des Schmerzes auch der engen Familie und den eigenen Befindlichkeiten "nur" als Freundin. Der eigene Seelenschmerz ist oft genau so gross wie bei den Angehörigen. Aber ich weiss auch - denn das hat meine Freundin mir in ihren letzten Tagen gesagt - wie wichtig die beste Freundin neben allen anderen auch ist. Und gerade, wenn Euch immer etwas Besonderes verbunden hat. Ich wünsche Deiner Freundin einen leichten Weg über die Regenbogenbrücke und Dir alle Kraft, immer für sie dazusein, wenn sie Dich braucht. Ich weiss, wie weh alles tut und kann Dich in Deinen Gefühlen gut verstehen. Sei tapfer. Karin  | 
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			#4  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Liebe Karin, 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	vielen Dank für deine lieben Worte! Ich habe über dich und deine Freundin Ulla gelesen und ihr hattet wirklich auch eine ganz besondere Freundschaft zueinander. Ich weiß im Moment gar nichts mehr....Erst hat meine Freundin 4 tagelang bis auf einige Minuten geschlafen, mehr oder weniger unruhig - wir dachten wirklich, es ist soweit und sie wird uns verlassen. Und nun scheint es ihr (gottseidank) wieder besser zu gehen. Sie ist wacher, isst und trinkt sogar (selber) ein wenig und wir können uns ein wenig unterhalten. Gestern hat sie auch mit uns geschimpft, weil wir ihre Medikamente einsortiert haben, (da sie das ja nicht mehr machen konnte und falls sie ein paar Momente wach war, sie ja gar nicht richtig anwesend war und sehr verwirrt war). Nun wollten wir zusammen mit ihr die Pillenbar auffüllen, das hat sie uns sehr resolut verboten, weil sie das absolut alleine kann. (Was sich bei einer Nachkontrolle leider nicht rausstellte) Sie hatte auch nicht realisiert, dass ihr Bruder und Schwägerin 4 Tage zu Besuch waren. Auf jeden Fall erschrickt es mich regelrecht, wie schnell man doch den Gedanken zulässt, dass es jetzt wirklich so weit sein könnte. Aber ich und auch die anderen Verwandten haben das auch noch nicht mitgemacht und es wird mit Sicherheit immer wieder anders sein. Alle wollen ihr halt so gut es geht beistehen. Mit der Atmung hat sie es mittlerweile ein wenig leichter, da ihr ein Pleura-Katheter implantiert wurde und man nun zuhause alle 3-4 Tage das Wasser aus der Lunge ablassen kann. Nun hoffe ich natürlich, dass sie mir/uns noch ein Weilchen bleibt, immer vorausgesetzt, dass sie ihr Leben so noch ertragen kann. Komisch, dass ich mich gar nicht richtig freuen kann, weil ich halt weiß, dass es schon morgen wieder ganz anders sein kann und das Unvermeidbare irgendwann auch eintritt. Sagen wir mal, für den Moment bin ich froh, das trifft es eher... Herzliche Grüße und danke, Irmi  | 
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			#5  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Meine liebste Freundin hat es nun endlich geschafft und ist am 18. 03. 09 um 22.35 Uhr für immer eingeschlafen. 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	Als ich das letzte Mal hier geschrieben habe, schien es ja schon so, als ob es bald passieren würde. Tatsächlich ging es aber nun doch noch über einige Wochen. Anfänglich erholte sie sich wieder ein wenig. Ab Februar habe ich dann ihre Pflege übernommen bis zum 8. März, dann kam ihre Mutter wieder und übernahm das, wobei ich sie unterstützt habe. Meine Freundin war noch eine Zeit lang so mobil, dass sie in der Wohnung umher gehen konnte, sie erledigte ihre Morgentoilette noch selbst, wir guckten zusammen fern, verfielen dem Puzzlefieber und puzzelten was das Zeug hielt. Durch den implantierten Pleurakatheter konnten wir etwa alle 3 Tage selber das Wasser aus der Lunge ablassen.Wenn das Wetter es zuließ sind wir mit dem Rollstuhl rausgefahren. Besonders gern ging sie einkaufen. Essen mochte sie nicht besonders viel. Zum Frühstück ein belegtes Brot, Kaffee und im Laufe des Tages eine Schüssel Obstsalat mit Joghurt. Abends manchmal ein wenig was ihr Lebensgefährte gekocht hatte. Medikamententechnisch war sie optimal eingestellt. Sie hatte keine Schmerzen. Sie bekam morgens 1 ½ Cortisontabletten, 1 Cipramil, 1 MST, 1 Lyrica, 1 Omep und 14 tagelang das Antibiotikum Amoxiclav 825. Ausserdem alle 4 Stunden tagsüber 25 Tropfen Novalgin. Abends nahm sie 1 Cipramil, 2 MST, 1 Omep, 1 Lyrica. Wenn sie unruhig wurde, sie schlecht atmen konnte und deswegen Angst bekam nahm sie Tavor expidet. Diese hatte sie zur ständigen Verfügung und durfte auch nicht ausgehen. Damals nahm sie die Tabletten noch selber und ich überwachte das, was sie mittlerweile als Sicherheit empfand. 2 x die Woche kam ein Masseur zur Lymphdrüsenmassage. Zu der Zeit (bis Mitte Februar) konnte ich sie auch vormittags und nachmittags noch für jeweils 1, 5 Stunden alleine lassen, wenn ich mit dem Hund Gassi ging. Meine Familie versorgte sich während dieser Wochen selber. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Am Aschermittwoch (25.02.) waren wir zusammen Geburtstagsgeschenke für ihren Freund kaufen, 3 Stunden waren wir unterwegs mit dem Rolli, die Novalgin-Tropfen im Gepäck. Ab dem nächsten Tag wurde sie zusehends kraftloser. Am Geburtstag des Freundes (04.03.), dachte sie gar nicht mehr daran. Als ich sie auf darauf aufmerksam machte, übergab sie ihm das Paket und freute sich, dass sie so gut ausgewählt hatte und genau seinen Geschmack und die richtigen Kleidergrößen getroffen hat. Sie aß nun noch weniger, mochte ihren Morgenkaffee nicht mehr, schlief über Stunden hinweg und die Medikamentengabe gestaltete sich zusehends schwieriger, weil sie nicht wach zu kriegen war. Sie verlor zunehmend das Interesse was um sie herum passierte. Hatte sie früher die absolute Alleinherrschaft über die Fernbedienung ihres Fernsehers (wir guckten zusammen irgendwelche Serien), war es von einem Tag auf den anderen damit vorbei und sie verlangte nicht mehr danach. Sie verwechselte die Knöpfe an der Bedienung ihres Krankenbettes und wenn man ihr die Tabletten in die Hand gab zum Einnehmen, wusste sie nicht, was sie damit anfangen sollte. Sie wurde manchmal sehr unruhig, riss sich den Sauerstoffschlauch aus der Nase und wehrte immer wieder ab, wenn wir ihr die Sauerstoffbrille wieder aufsetzen wollte. Wir konnten sehen, wie sich ihre Nasenspitze und die Lippen blau verfärbten und erst nach etwa 20 Minuten lies sie uns machen. Ihr Blutdruck und Puls war auch den ganzen Tag über enorm hoch, so dass ihr Lebensgefährte am 06. 02. den Hausarzt anriefen, der vorbei kam und meinte, dass es bald zu Ende gehen könnte. Er spritzte ihr Diazepam und meinte wenn sie sehr unruhig würde, könnten wir ihr auch Diazepam als Tropfen geben, sowie Tavor expidet. Er bereitete uns vor, was passieren könnte wenn sie sterben würde. Und er sprach von Hirnmetastasen, die er vermutete. Das Wichtigste für die kommenden Tage bei den Medikamenten wäre nun MST und Novalgin, und wenn es nicht anders geht, sollten wir die anderen Medikamente weglassen, die wären nun nicht mehr so entscheidend. Wir besprachen, dass wir laut Patientenverfügung keine künstliche Ernährung und Infusionen einsetzen würden. Er versicherte uns, dass auch er sich 1:1 an die Patientenverfügung halten würde. Die folgenden Tage verbrachte sie nur noch im Bett, außer dem Gang zur Toilette, bei dem wir sie begleiteten. Auch da war die Veränderung, dass sie mich mit hineinließ, was sie früher nicht mochte. Sie trank fast nichts mehr. Wenn sie aber auf der Toilette saß, verlangte sie nun immer was zu trinken...warum auch immer? Sie mochte sich nicht mehr waschen und zum Zähneputzen im Bett musste man sie sehr überreden. Wenn sie dann putzte hörte sie gar nicht mehr auf. Das musste man ihr dann sagen. Wenn sie sprach wurden ihre Sätze immer verwirrter und es fielen ihr meist die Worte nicht mehr ein. Sie machte komische Sachen, versuchte in die Fernbedienung zu beissen, verlangte eine Gabel – einfach so... Manchmal bemerkte sie ihren desolaten Zustand doch noch und wurde wütend. Auch schien sie öfter nicht mehr zu begreifen, was man von ihr wollte. Sie konnte dann auch sehr stur werden. Einmal wollte ich ihr Betttischen nur kurz bei Seite legen um etwas zu richten, da hielt sie es mit beiden Händen fest und wollte es nicht hergeben. Als ich ihr sagte, sie würde es sofort wiederbekommen, verstand sie das wohl nicht und es war fast ein Hin- und Herziehen, sie war total starrsinnig und hielt es vehement fest. Ich gab dann mein Vorhaben auf. Über Monate hinweg hatte sie ihr Sauerstoffgerät auf 1,5 – 2, 5 eingestellt. Nun war es meistens auf 3, phasenweise auch auch 4 oder 5 hochgestellt. In verwirrtem Zustand stellte sie es auch selber hoch, dass die Flasche nur so pfiff und es ihr die Nasenflügel regelrecht aufblähte. In der letzten Woche sprach sie nicht mehr viel, wenn sie antwortete, dann mit sehr viel Verspätung, so dass der Fragesteller eigentlich schon resigniert hatte. Sie ging nicht mehr auf die Toilette sondern nutzte mit Hilfe den Toilettenstuhl. An den Armen hatte sie kleine Hauteinblutungen bekommen, die mir vorher nicht aufgefallen waren. Am 16. März erschrak ich ein wenig, als ich zu ihr kam, denn ihr rechtes Auge schien in eine andere Richtung zu blicken und sie war eigentlich zu keiner Kommunikation bereit und hatte noch keinen Schluck getrunken. Wie immer verbrachte ich viele Stunden an ihrem Bett. Wir riefen den Hausarzt an, der abends vorbeikam. Nach einem längeren Gespräch, in der wir die derzeitige Situation schilderten, meinte er, er würde meine Freundin nun an einen Perfusor anschließen, damit sie ihre Medikamente wieder regelmäßig bekommen würde. Für uns war es nämlich nicht mehr machbar, da sie oft nicht mehr schlucken konnte, oder es vergaß, manchmal öffnete sie auch den Mund nicht, oder die vermeintlich geschluckten Tabletten blieben im Mundraum liegen. Wir holten das Rezept für die Morphium-Ampullen und als wir das besorgt hatten, kam der Hausarzt und schloß den Perfusor an den Port an. Er stellte die Dosis ein und erklärte uns wie der Perfusor funktioniert. Er versicherte wie immer, dass er Tag und Nacht zu erreichen sei. Er ist wirklich einzigartig. Nachdem der Perfusor angeschlossen war, blieb ich noch eine Weile bei ihr Sitzen. Ihr Freund und ihre Mutter saßen in der Küche beim Abendessen. Plötzlich bemerkte ich Tränen in ihren Augen. Sie schien lautlos zu weinen. Ich redete mit ihr und sprach auch das erste Mal aus, dass sie ruhig gehen könnte, dass sie sich keine Sorgen um ihre Söhne machen muss, dass es für uns in Ordnung ist, wenn sie uns verlässt und sie sich nicht mehr länger quälen sollte, dass wir sie alle so sehr lieben würden, aber wir auch froh sind, wenn ihr Leiden vorbei ist. Bisher hatte ich es nicht übers Herz gebracht, das auszusprechen. Nach ihrem Tod, habe ich das ihrem Freund erzählt. Er sagte, er habe das einfach nicht übers Herz gebracht, ihr das zu sagen. Die erste Nacht mit dem Perfusor war sehr unruhig, so dass ihr Freund ihr auch eine Extradosis (Bolus) gab. Am nächsten Tag lag sie meist regungslos im Bett, meist mit dem Gesicht zur Wand. Ich saß wie schon die ganzen Tage davor fast immer an ihrem Bett, und streichelte sie, hielt ihre Hand, hielt die angezogenen Knie, die immer zur Seite kippten fest und erzählte ihr was oder las ihr vor. Aber etwas war anders an diesem Tag. Sie schlief gar nicht mehr ein. Sie war die ganze Zeit wach, allerdings ohne Kontakt aufzunehmen. Manchmal die Augen halb geschlossen, aber bei jedem kleinsten Geräusch gingen sie auf. Außerdem trank sie wieder – und zwar Unmengen. Sie hat jedes Glas das man ihr reichte mit dem Strohhalm ohne abzusetzen geleert – in Riesenzügen! Und mir fiel auf, dass ihre Nasenspitze irgendwie spitzer wurde, und die Augen etwas hervorgetreten aussahen. Im Gesicht waren plötzlich viele Besenreißer zu sehen. Am Nachmittag habe ich ihr eine halbe Orange kleingeschnitten angeboten, die sie auch aß. Gegen 19.00 Uhr bin ich nach Hause gegangen, habe mich verabschiedet und sie spitzte die Lippen und erwiderte meine Abschiedsküsse. Ich habe gesagt, dass ich später nochmal vorbeischauen werde, wie ich es jeden Abend gemacht habe. Zuhause fielen mir dann noch einige Dinge ein, die noch erledigt werden mussten und ich beschloß anzurufen und zu sagen, dass ich heute ausnahmsweise doch nicht mehr kommen würde. Warum???? Gegen 22.00 Uhr bin ich dann ins Bett gegangen. Um 23.00 Uhr klingelte das Telefon, als mir mein Mann das Telefon reichte und ich die Nummer meiner Freundin auf dem Display sah, ahnte ich schon, dass das wohl die Nachricht war, vor der ich mich solange gefürchtet habe. Die Mutter meiner Freundin war dran, und sagte mir, dass meine Freundin kurz vorher für immer eingeschlafen wäre. Ob ich gleich nochmal vorbeikommen wolle. Sie wolle mir gerne die Gelegenheit geben, sie nochmal zu sehen und mich zu verabschieden. Ich schlüpfte schnell in meine Sachen und ging rüber. Da lag sie ganz klein und schmal in dem Krankenbett, schon hübsch hergerichtet, umgezogen, gekämmt, die Hände übereinander gelegt. Sie sah ganz anders aus. Viel friedlicher, das Gesicht ganz ebenmäßig, alle ihre Leiden waren von ihr gewichen. Wir hatten den Raum für uns beide alleine und ich streichelte sie unter Tränen, küsste sie, nahm ihr Gesicht in meine Hände, redete mit ihr und hatte überhaupt keine Scheu davor, sie zu berühren und ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte und was sie mir immer für eine tolle Freundin war. Ihr Körper war noch ganz warm. So habe ich mich von ihr verabschiedet. Ich war so froh und dankbar, diese Gelegenheit zu haben. Nachher saßen wir noch in der Küche zusammen und ihr Lebensgefährte und ihre Mutter haben mir erzählt, dass sie gegen 20.00 Uhr extrem unruhig wurde. Sie hob die Hände immer wieder, wollte etwas sagen, schaffte es aber nicht. Sie zog sich wieder ihre Sauerstoffbrille weg und ihr Freund versuchte verzweifelt und vergeblich, sie zu überreden, die Sauerstoffbrille wieder anzunehmen. Ihre Lippen und Nasenflügel wurden immer blauer, und es zeigte sich ein helles Dreieck um Mund und Nase. Sie beschlossen unseren Hausarzt anzurufen, der umgehend kam. Als er die Situation eingeschätzt hatte, erklärte er ihnen, dass es nicht mehr lange dauern würde und dass er hierbleiben würde. Er erhöhte die Morphiumdosis und ihre angestrengte Atmung wurde schnell ruhiger. Nach einer Weile gab er noch einmal Morphium, die Atmung wurde noch langsamer und flacher, ihr Blick wanderte nach oben, und sie ist kurz darauf für immer eingeschlafen um 22.35 Uhr. Ihre größte Angst war immer, dass sie irgendwann qualvoll ersticken müsste. Ihr Arzt hatte ihr versprochen, dass er das nicht zulassen würde und er hat sein Wort gehalten. Ihr Freund streichelte sie bis zuletzt, der Hausarzt saß mit am Bett und hielt und streichelte die kippenden angezogenen Knie, sprach mit meiner Freundin, Mutter und Freund. Ihre Mutter stand am Fußeende und liebkoste ihre Füße. Als es geschehen war, konnte ihr Freund einfach nicht mehr dabeibleiben und ihre Mutter hat zusammen mit dem Arzt meine Freundin gebettet und ihr welche von ihren Lieblingssachen angezogen. Sie haben ihr ein zusammengerolltes Handtuch unter das Kinn gelegt. Später habe ich ihr dann noch die Ohrringe reingemacht, die sie so gerne getragen hatte. Wir saßen anschließend noch in der Küche und haben geredet. Ihr Freund war absolut am Ende, ich habe ihn dann in den Armen gehalten und wir haben zusammen geweint. Mit traurigen und auch erleichterten Grüßen, Irmi  | 
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			#6  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Hallo, liebe Irmi, 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	....oh, wie ich das alles kenne. Und dieses Gefühl zwischen Erleichterung (dass sie es endlich geschafft hat) und tiefer Traurigkeit wird Dich noch lange begleiten. Aber dieses alles gilt es zu bewahren und Du wirst es nie vergessen. Mir kommen schon wieder die Tränen, weil auch bei mir alles immer noch so gegenwärtig ist. Sei der Familie Deiner Freundin weiterhin eine so liebe und gute Stütze wie bisher, vergiss aber Dich selber darüber nicht (aber Du hast ja wohl auch eine sehr verständnisvolle Familie). Ich drück Dich mal virtuell und wünsche Dir und der trauernden Familie viel Kraft, um die Zukunft so anzunehmen wie sie ist. Verbundene Grüße - Karin  | 
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			#7  
			
			
			
			
			
		 
		
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			Liebe Karin, 
		
		
		
		
		
		
		
		
	
	vielen Dank für deine tröstenden Worte! Manchmal denke ich, es ist bei mir noch gar nicht angekommen. Am Tag nach ihrem Tod, kamen mir zwar dauernd die Tränen - einfach so, aus dem Nichts, aber unaufhaltsam. Aber seitdem bin in erstaunlich ruhig, auch wenn ich rüber gehe ins Nachbarhaus und die Mutter meiner Freundin besuche und wir uns unterhalten, oder verschiedene Dinge erledigen für die Trauerfeier - habe ich keine Tränen. Ich habe mich einfach schon im Laufe der letzten Monate von ihr verabschiedet, Schritt für Schritt. Wie es weitergeht wird die Zeit bringen - und dann wird es vermutlich viele Momente und Situationen geben, wo es mir bewusst wird und sie mir sehr fehlen wird... Liebe Grüße, Irmi  | 
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