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Alt 09.05.2004, 18:18
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo an alle, die trauern,

ich heiße Monique, bin gerade 30 geworden und habe meine Mama letztes Jahr am 8. Mai verloren. Sie war damals 47 Jahre alt. Meine Mama war keine Krebspatientin, aber die Erfahrungen in diesem Forum sind so ansprechend und ich habe mich zum ersten Mal so verstanden und zugehörig gefühlt, dass ich auch von mir erzählen wollte.
Meine Mama ist im vergangenen Jahr beim Busunglück in Siófok in Ungarn ums Leben gekommen. Der Unfall ging damals groß durch die Presse, weil dabei 33 Menschen starben. Wir telefonierten noch am Tag vor ihrer Reise miteinander. Sie freute sich so darauf und ich sagte ihr noch, sie solle sich alles gut anschauen, damit sie mir nach der Reise, am Muttertag, alles genau erzählen könne. Den Muttertag verbrachten wir auch zusammen, allerdings in Ungarn und ich pflückte ihr einen Wildblumenstrauß von der Wiese vor der Leichenhalle.
Es war so schrecklich, als ich damals im Radio von diesem Unfall hörte. Obwohl ich noch gar nicht mit Sicherheit wusste, dass meine Mama in diesem Bus gesessen hat, habe ich es irgendwie gespürt. Ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Panik in mir, konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken, war wie betäubt, als wäre ich gar nicht mehr ich.

Ich war immer so stolz auf meine junge Mama. Sie war so fröhlich, so voller Tatendrang. Sie war für mich wie eine Seelenverwandte. Deshalb fühle ich mich so einsam, auch wenn ich einen lieben Partner, Freunde und Verwandte an meiner Seite habe. Ich bin ein Einzelkind und meine Mutter hatte sich vor sechs Jahren von meinem Vater scheiden lassen. Zu meinem Vater habe ich regelmäßig Kontakt und ich habe ihn auch gern, aber zu ihm habe ich nie das innige vertraute Gefühl wie zu meiner Mutter gehabt. Ihr war ich immer so nah, auch wenn wir uns seit meinem Auszug vor sieben Jahren nur noch alle paar Wochen getroffen haben. Wenn wir uns sahen, war es aber ganz intensiv. Sie war für mich Mutter, Vater, Schwester und Freundin in einer Person. Deshalb empfinde ich es, als wären mir durch ihren Tod gleich vier Personen aufeinmal genommen worden. Ich vermisse sie so sehr.

Nun habe ich im letzten Jahr versucht mein Leben weiterzuleben und habe viele der Erfahrungen gemacht, von denen auch die anderen hier im Forum berichtet haben:
Zuerst konnte auch ich diesen Verlust noch gar nicht begreifen, musste zwar oft weinen, war aber generell sehr gefasst. Ich war so erstaunt über mich selbst. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich so verhalten würde, dass ich so stark sein konnte, weil ich sehr emotional bin und nah am Wasser gebaut habe. Anfangs überkam mich eine riesengroße Woge der Liebe zu meiner Mama, die die Trauer überschattete und ich konnte mit diesem Gefühl gut leben und war irgendwie glücklich, obwohl sie tot war. Das war so komisch. Hat das auch schon jemand so empfunden?
Doch dann kamen die Momente von tiefer Traurigkeit, manchmal wie aus dem Nichts.
Da hörte ich ein tolles Lied im Radio, sang lauthals mit, freute mich und in den nächsten Sekunden fing ich an zu weinen und war von Trauer und Schmerz überwältigt.
Mit einigen wenigen Freunden ist der Kontakt noch enger geworden, sie fragen mich auch heute noch, nach einem Jahr, wie ich mich fühle. Andere haben sich abgewendet, vielleicht auch, weil ich mich verändert habe. Ich bin sehr viel ernster geworden. Manchmal habe ich das Gefühl, ich passe nicht mehr in diese Welt. Menschen nerven mich, wegen ihrer Nörgelei über ihre Frisur, über das Wetter, über die Benzinpreise oder wegen ein paar Pfund zu viel auf den Hüften.
Ich bin immer noch sehr dünnhäutig und funktioniere nicht so gut wie vorher. Das macht mir Angst, weil ich früher immer sehr gut organisiert war und viel geschafft habe.
Ich bin so traurig und eifersüchtig, wenn ich Großmütter mit ihren Enkelkindern sehe. Ich habe noch keine Kinder, habe es mir aber immer so schön vorgestellt, wenn meine Mama mal mit meinen Kindern im Gras tollen oder im Wald spazieren gehen würde.

Heute am Muttertag und gestern am 1. Todestag meiner Mama geht und ging es mir sehr schlecht. Aber ich merke, dass ich gerne lebe und dann habe ich die Kraft, mein Leben so gut es geht weiter zu leben, damit meine Mama stolz auf mich sein könnte!
Ich lebe im Raum Bielefeld und bin oft im Raum Diepholz bei meinen Verwandten. Vielleicht möchte sich ja mal jemand mit mir treffen und mit mir sprechen? Ich würde mich freuen.

Seid herzlich gegrüßt ...

Monique
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