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Alt 17.01.2012, 16:13
tischlerin tischlerin ist offline
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Standard AW: Mein Bruder hat BSDK

Liebe Birgit!

Ich kann Dich sehr gut verstehen, auch mein Bruder hatte ein Pankreaskarzinom. Die Situation, die Du beschreibst, dass Dein Bruder gehen möchte, kenne ich sehr gut. Mein Bruder kämpfte 20 Monate wie ein Löwe, war tapfer, hat so viel ausgehalten. Plötzlich, etwa eine Woche vor seinem Tod gab er auf, als ob er plötzlich gemerkt hätte, es ist Zeit zu gehen, es hat einfach keinen Nutzen mehr zu kämpfen. Das ist so unheimlich schwer anzunehmen für die Angehörigen und man möchte, dass er weiterlebt und es ihm wieder gut geht. Aber - zumindest war es mein Eindruck - der kranke Mensch weiß, wann es einfach keinen Sinn mehr hat zu kämpfen.

Dein Bruder kämpft seit 2008 mit dieser Krankheit, denk einmal, wie anstrengend das für ihn war und ist. Irgendwann geht einfach die Kraft aus.

Dass ihr eine große Familie seid, ist gut, so könnt ihr euch abwechseln und es kann immer jemand bei ihm sein. Ich habe auch mehrere Geschwister und es war dann gut zu wissen, dass man selbst mal aus dem Krankenzimmer gehen kann und weiß, dass jemand anderer bei ihm ist.

Liebe Birgit, ich wünsche Dir viel Kraft für diese Zeit und nutze jede Minute, die Du mit Deinem Bruder verbringen kannst, denn irgendwann ist es für immer vorbei und Du kannst ihn nicht mehr sehen. Du schreibst, du hältst "nur" sein Hand und streichelst ihn. Das ist doch sehr viel, was Du hier machst, Du begleitest ihn und lässt ihn wissen, dass er nicht allein ist. Vielleicht magst Du ihn noch fragen, ob Du noch etwas für ihn erledigen kannst. Wenn er gefragt wird, traut er sich vielleicht eher, um etwas zu bitten, als wenn er von selbst die Bitte aussprechen muss. Es erleichtert auch die Angehörigen, wenn sie noch etwas tun können.

Liegt Dein Bruder auf einer Palliativstation? Er sollte so viele Schmerzmittel bekommen, damit er schmerzfrei ist, niemand sollte in so einer Situation zusätzlich leiden müssen. Gibt es dort einen Psychologen. Mir hat es sehr geholfen, mit dem Psychologen der Palliativstation zu sprechen, diese Menschen sind einfach darauf geschult, mit Angehörigen in solch einer Situation umzugehen und ihnen zu helfen.

Ich hab jetzt viel geschrieben, ich will Dich nicht mit Weisheiten überhäufen, aber ich war eben in der ganz gleichen Situation und auch heute, 21 Monate nach seinem Tod kommt es mir vor, als wäre es gestern gewesen. Es prägt sich einfach so ein, dass man das nie wieder vergisst. Im Nachhinein gesehen, bin ich sehr dankbar über jede Minute, die ich bei ihm war und über jeden Wunsch, den ich noch erfüllen konnte. Und ich bin dankbar, dass er es auch erlaubt hat, in seinen letzten Tagen und Stunden, in einem der persönlichsten Augenblicke seines Lebens, des Sterbens, bei ihm sein zu dürfen.

Ich wünsche Dir, dass Du viel Kraft hast, ich glaube, die hat man in einer solchen Situation einfach, man weiß nicht woher. Gut, dass Du nicht allein bist!

Fühl Dich gedrückt und verstanden - und wenn Du willst, lass wieder von Dir hören!

Herzliche Grüße!
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