Liebe Nicole,
mein Papa ist seit gestern 71 Jahre. Er war aber vor seiner Krebserkrankung topfit und kein bißchen senil oder so. Das Halluzinieren ist vollkommen normal, den Morphin und andere Opiate haben natürlich auch ihre Nebenwirkungen. Zum einen machen sie unheimlich müde. Anfangs schlafen die PAtienten dann nur, bis der Körper sich an den Wirkstoff gewöhnt hat. Außerdem erzeugen sie auch diese Wahrnehmungsstörungen bzw. HAlluzinationen. Dann sieht man offensichtlich Dinge, die ansonsten niemand sehen kann und teilweise kann es auch sein, dass man Stimmen hört. Davor brauchst du keine Angst haben. Wenn deine Oma davon erzählen sollte, dann höre ihr zu und frage vielleicht nach. Dann fühlt sie sich in ihrer Wahrnehmung angenommen. So handhaben wir das mit Papa.
Das ist ja schlimm, dass deine Oma dieses "Plexia" nicht verträgt. Da muss man unbedingt dran arbeiten. Toll, dass du dem Arzt die SAPV rausleiern willst! Ein Palliativarzt würde nämlich die Medikation ändern. Bei meinem Vater wurde die Schmerztropfen Novalgin ja jetzt umgehend abgesetzt.
Ich mache nicht jeden Abend Nachtdienst, meine Mutter will das nicht, weil ich arbeite. Ich habe mit meinem Arbeitgeber unter der Hand die Vereinbarung getroffen, dass ich in unserer jetzigen Situation nur 32 Stunden arbeite. Auf mehr Gehalt kann ich leider nicht verzichten, da ich auf mein Gehalt angewiesen bin (ich bin allein erziehend und habe eine knapp 14jährige Tochter). Den freien Tag stelle ich meiner Ma zur Verfügung, damit sie ihre Termine wahrnehmen kann oder einfach mal eine Verschnaufpause hat. Morgen Abend darf ich wieder NAchdienst machen;-) Da ich Samstag ja nicht arbeiten muss... Es ist schon heftig, weil mein VAter höchstens 30 Minuten schläft und dann muss er zur Toilette. Seit gestern haben wir zum Glück den Toilettenrollstuhl und damit kann er ganz gut leben (er hasst nämlich die Flasche... können eh nur Männer benutzen). So steht er jetzt auf und der Stuhl bzw. seine Toilette befindet sich direkt neben dem Bett. Dennoch ist es nachts heftig, da man niemals in die Tiefschlafphase kommt und immer hochschreckt, wenn man ein Geräusch hört. Außerdem schlaucht es mich psychisch derart, dass ich ohnehin immer müde bin. Meiner Mutter geht es ebenso. Aber irgendwie bekommen wir es hin. Mama hat eine großartige Nachbarin, die sich zur Hospizhelferin hat ausbilden lassen und die kommt tagsüber gelegentlich für 2 STunden vorbei, so dass MAma sich dann ausruhen und schlafen kann.
Aber du hast vollkommen recht, es ist grauenhaft! Und da sitzen wir und warten und warten. Aber jeder Mensch braucht seine eigene Zeit, um zu gehen und meine Mutter sagte mal: "So einfach stirbt es sich nicht." Wie wahr! Und es tut so weh, einen geliebten Menschen so leiden zu sehen. Und mein Papa war gestern auch richtig wütend und schimpfte sehr, weil er es hasst, dass er fast gar nichts mehr machen kann, selbst das Sprechen fällt ihm so schwer. Ich kann seinen Unmut so gut verstehen.
Du bist eine ganz großartige Enkelin!!! Dir weiterhin viel Kraft und ich finde es ganz wunderbar, dass du dich so für deine Oma einsetzt und für sie da bist!

Miriam