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Alt 20.06.2002, 13:13
Gast
 
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Standard Woher nehmt Ihr die Kraft für den Betroffenen?

liebe Lilly,
du musst dich doch nicht dafür entschuldigen, dass du schlecht drauf bist!!! Dafür sind wir doch da - hört sich jetzt irgendwie etwas blöd an: aber ich finde, das wir irgendwie eine Art grosse Familie sind. (Aber dies ist sicherlich Ansichtssache)
Wenn es uns allen so gut ginge und wir ganz locker mit dem Sch... Krebs umgegehen könnten, bräuchten wir doch dass Forum nicht.
Ich finde es unheimlich wichtig, dass man bei der ganzen Sache auch Mensch bleibt.
Irgendwie sehe ich das mit Gott ähnlich wie du - irgendeine Kraft (nennen wir sie ruhig Gott) hat uns diese Erde mit allem darauf (ob Tier ob Pflanze) in unsere Verantwortung übergeben. Aber leider weiss der Mensch mit dieser Verantwortung nicht umzugehen. Der schnöde Mamon regiert - erst langsam fangen vereinzelt Menschen an, umzudenken. Festzustellen - halt da gibt es doch noch mehr.
Und ich glaube davon sollten wir hier im Forum auch was spüren - mir hilft es ungemein.
Ich kann es irgendwie schlecht in Worte fassen, aber durch das Forum haben wir die Möglichkeit uns gegenseitig zu stützen, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen und in gewissem Rahmen - Kraft zu schöpfen.

Der Krebs an sich raubt doch schon genügend Menschenwürde und Menschlichkeit.

Deshalb biete ich dir auch gern an - wenn du mit mir sprechen willst oder sonstwie Hilfe benötigst, lasse es mich wissen. Ich wünsche euch (dir und deinem Vater) dass es bald wieder aufwärts geht und vor allem die Schmerzen nachlassen.
Meine Schwester ist "gedopt" - starke Schmerzen hat sie nicht - dafür ist sie unendlich schlapp und müde.

Nun zu dir - liebe Tina:
Ja, ich glaube auch, dass wir auf einer Wellenlänge ticken und ähnlich denken. Ich fühle mich teilweise so hilflos...
wenn ich nur wüsste, wie ich meiner Schwester am besten helfen kann.
Ich möchte nichts falsch machen, sie nicht überfordern - sie aber auch nicht wie ein rohes Ei behandeln.
Momentan ist es unser Ziel meiner Schwester das Krankenhaus so lange als möglich zu ersparen.
Meine älteste Schwester fährt während der Woche für ein bis zwei Tage. Am Wochenende versuche ich zumindest jeden Sonntag zu meiner erkrankten Schwester zu fahren.
Mein Mann begleitet mich - selbst könnte ich z. Z. nicht die weite Strecke fahren.
Ansonsten wird sie durch ihren Freund sehr liebevoll betreut.
Aber auch er benötigt unsere Hilfe, Ansprache und Unterstützung. So dass er zumindest ein wenig Normalität - wie auch immer diese Normalität aussehen mag - in sein Leben bekommt.
Ja - liebe Tina. Du schriebst, du hättest einen Sohn (ich weiss zwar nicht wie alt er ist, aber er bekommt doch leider auch schon mit, das sein Opa krank ist)und für ihn musst du versuchen, stark zu sein, eine gewisse Normalität zu bewahren und hin und wieder mit deinem Sohn lachen - je öfter desto besser (auch wenn es sehr schwer fällt und höllisch weh tut)
Du schriebst selbst - bin ich ihm nicht eher lachend eine Hilfe als weinend.
Natürlich bist du deinem Vater, wenn du einigermassen ausgeglichen bist und auch mal einen Scherz machen kannst, lieber wie ein Trauerkloss. Traurig sind wir alle - ob Kranker oder nur Angehöriger.

Aber für unsere Angehörigen müssen wir die Kraft haben, sie aufzumuntern, abzulenken.
Ich bin auch der Meinung, dass wir uns selbst kein schlechtes Gewissen machen sollten und erst recht nicht von aussen machen lassen sollten. Leider erwische ich mich aber immer wieder selbst dabei, dass ich ein schlechtes Gewissen habe.
Wenn ich nur mal 5 Minuten an etwas anderes denke, als an meine Schwester und deren schlimmes Leid, so erwische ich mich kurz danach und fühle mein Gewissen. Ich schäme mich, dass ich mal wieder das Leben "genossen" habe (bei diesem "Genuss" handelt es sich dabei eigentlich nur um eine Banalitäten - z. B. wenn eine Kollegin über irgendetwas Lustiges berichtet)
Tja - dein Tipp ist gut. Aber leider war ich auch schon so weit. Sie meinte dann nur, geht ruhig auf die Terrasse, wenn ihr die so schön findet. Ich bin so schlapp - ich geh lieber ins Bett. Wenn man dann sagt, schau mal, der Liegestuhl ist doch auch sehr bequem... kommt nur ein weiterer fadenscheiniger Grund.
Ich möchte dann nicht drängeln und sie auch nicht zwingen - aber dies sind solche Situation wo ich mich total hilflos fühle.
Ich kann diejenige eigentlich nur beneiden, die genau wissen, was für ihre Lieben gut ist, die so selbstsicher und stark sind, und denen die Kraft einfach so zu fliegt.
Aber überschätzen sie sich vielleicht nicht selbst?
Ist dies nicht auch eine Schutzbehauptung?
Zeugt es nicht doch vielleicht auch von einer gewissen Schwäche...
Ich kann und möchte es nicht beurteilen. Jeder Mensch ist anders - jeder ein Individuum.
Aber wichtig ist, dass sich in dieser Situation auch keiner etwas vormacht, sich nicht selbst belügt. Es schadet einem selbst und vor allem und in erster Linie den Kranken und dies darf nicht sein.
Wie bereits erwähnt - oft sind wir das einzige was ihnen bleibt und wir müssen für sie stark sein,kämpfen...

Ich habe mit meinen Schwestern vereinbart, dass wir jetzt in Babyschritten uns unseren Zielen nähern...
Hoffnung ist das magische Wort, nicht aufgeben, sondern sich ein Ziel setzen - egal wie schlecht die ärztliche Prognose ist - und dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren (in diesem Fall eine weite Reise) Träumen...

Liebe Lilly - liebe Tina - ich würde gern erfahren wie es euch geht - vielleicht wäre es gut, wenn wir irgendwie in Kontakt bleiben könnten.
Alles erdenklich Gute für euere Väter und euch selbst
Lisa
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