AW: Wie geht ihr mit eurer Trauer um?
Hallo Hermann,
du fragst: "Wie geht ihr mit der Trauer um?" Meine Antwort: apathisch, depressiv, leugnend, nachdenklich, interessiert, neugierig, kämpferisch bis aggressiv.
Ich kann dich gut verstehen. Du siehst nur beide Vögel. Einer ist nicht mehr da. Kein Wunder, das der zurück gebliebene Vogel an nichts anderes denkt. Er will und kann nichts anderes akzeptieren. In deiner Situation mehr als verständlich. Mir ging es genau so. Vor fünf Jahren hätte ich jeden, der sagt, dass es besser wird, aus dem geschlossenen Fenster werfen können. Bis ich dann lernte, dass es in dieser Beziehung zwei Arten von Menschen gibt. Zum Ersten die, die keine Ahnung haben und denen einfach nichts besseres einfällt und dann auf der anderen Seite die Menschen, die es aus eigener Erfahrung wissen und/oder den Mut haben, sich auf uns ein zu lassen.
Das Problem ist, wenn man getröstet werden soll, dass man zwar hört, doch nicht glaubt oder gar erfasst. Das ist auch gar nicht der Sinn des Trostes. Ich denke, der ist eher: ich bin da, höre dir zu, versuche dich zu verstehen und versuche dir zu helfen indem ich versuche, ein Körnchen Hoffnung pflanzen. Dass aus diesem Samenkorn eine kräftige Pflanze wird, dafür muss der Getröstete schon selber sorgen. Niemand kann ihm das abnehmen. Einen Gedanken zu haben, ihm zu glauben oder ihn gar zu akzeptieren heißt noch lange nicht, ihn auch wirklich leben zu können.
Auf die Trauer, vor allem in diesem Maß, wird man nicht und kann man sich nicht wirklich vorbereiten. Man wird quasi ins kalte Wasser geworfen. Doch damit nicht genug: selbst wenn man glaubt, mal nicht bis zum Hals darin zu stecken, kommt garantiert von irgendwo ein Eimer mit eiskaltem Wasser geflogen. Auch heute noch, nach fast 6 Jahren, kenne ich diese Situation sehr gut. Das Leben und man selbst nach dem Verlust und mit der Trauer will neu erlernt sein. Harte Arbeit.
Liebe Grüße,
Helmut
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