Einzelnen Beitrag anzeigen
  #829  
Alt 13.07.2014, 14:12
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 01.04.2011
Ort: Berlin
Beiträge: 1.877
Standard AW: Königinnenweg beim 2. Rezidiv

Liebe Charlotte,

hm, die Worte wollen nicht so recht heraus aus meinem Kopf. Das Thema berührt mich sehr.
Fakt ist, dass meine Eltern zwar an einer anderen Ursache gestorben sind, sie jedoch nicht zu diesem Zeitpunkt verstorben wären, hätten sie NICHT krebs gehabt. Das schürt ja eher noch die Angst vor dem Krebs. Da unsere Körper weniger in der Lage sind, Komplikationen wegzustecken.
Damit entkräfte ich sozusagen Deine Argumentation, wir sollen doch keine Angst vor dem Krebs haben, wo ich diese Ansicht ja eigentlich stark befürworte.
Tatsächlich ist es so, dass ich keine Angst in Bezug auf die Krankheit an sich empfinde. Trauer empfinde ich, aber keinerlei Angst.

Das tröstliche an den Todesursachen meiner Eltern ist, dass beide ohne langes Leid verstorben sind. Ohne Kampf, ohne Krankenhausaufenthalte. Ganz plötzlich und mitten aus dem Leben gerissen.
Beide hatten keine Angst um ein Siechtum, das vor Ihnen liegen könnte. Sie haben ganz stark, jeder auf seine Art, im Jetzt gelebt. Und dieses Jetzt haben sie sich nicht durch Grübeleien und Ängste kaputt gemacht. Im nachhinein gesehen: ein super Weg. Denn sie haben es ja nicht erleben müssen, das lange Leiden, und die Ängste wären umsonst gewesen.
Und das ist sicher etwas, das wir uns zum Vorbild nehmen können. Ich zumindest tue das. Oder versuche es und kämpfe immer dafür.

Die Kehrseite ist halt, dass sie ohne Abschied gegangen sind. Und dass ihr Leben ohne diese abrupte Komplikation sicher noch viel länger gegangen wäre. Im Falle meiner Mama ist das so, dass ich sehr damit hadere, dass dieser Tod zu diesem Zeitpunkt so unnütz erschien. Eine Lebensmittelvergiftung durch Hackfleisch??? Wie entsetzlich, wie unnötig, wie tragisch .... für eine Kämpfer-Heldin, die der Leukämie so dermaßen Paroli geboten hat, immer wieder aufs Neue. Und dann das.
Das ist für den, der geht, vielleicht eine gute Art des Abschieds. Aber für die, die zurückbleiben ist es ein entsetzlicher Schock und schwer zu verarbeiten.
Ob das anders ist, wenn man mehr Zeit für den Abschied hat? Ich vermute es, aber weiß es nicht.

Ich habe eine für unsere derzeitige Gesellschaft eher untypisch längere Zeit in der Nähe meiner toten Eltern verbracht. Und hätte eigentlich gerne noch länger gehabt (das weiß ich aber erst jetzt). Ich brauchte die Zeit, um die Realität des Todes bis zu mir durchdringen zu lassen, da wir keine gemeinsame Sterbezeit hatten. Ich bewahre die Bilder und Eindrücke dieses persönlichen Abschieds in der Nähe des jeweils toten Menschens tief in mir auf und etwas in mir sagt mir, dass das wichtig ist.

Aber nun bin ich vom Thema abgewichen.
Wie gesagt, es berührt mich zutiefst.

Und die Tatsache, dass wir hier von Sandra, Sanne und Eva nichts mehr hören, liegt mir auch wie ein Stein im Herzen. Und wenn ich frühere Threads lese, von Frauen, mit denen ich mich vor 3-4 Jahren ausgetauscht habe und die nicht mehr da sind, dann merke ich, dass ich immer noch damit ringe, meine Position dazu zu finden, denn es wirft mich aus der Bahn.
Für viele ist das ja ein grund, mit dem Schreiben aufzuhören. Diese schicksale eigentlich fremder Menschen, denen man sich doch viel tiefer verbunden fühlt, als man müßte ....

Conny meine Liebe, Du, die Du ja schon so viel länger als ich dabei bist, hast da eine tolle Haltung. manchmal frage ich mich, wie du das schaffst.

Ach Charlotte, ich muss jetzt mal aufhören, meine Gefühle haben mich jetzt wo hingetragen, was ich nichterwartet habe für diesen sonntag. ich muss jetzt erst mal wieder den Silberstreif der Zuversicht suchen gehen...


lg
birgit