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Alt 29.07.2014, 22:33
zarah zarah ist offline
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Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Zitat:
Ich habe gelesen, man soll den Leuten im Hospiz nicht die Hoffnung nehmen. Ist doch richtig oder? Er fragte mich gestern traurig, scheinbar nicht realisierend, was ein Hospiz ist: Muss ich hier für immer bleiben? Ich sagte Nein. "Nur bis du stirbst" habe ich einfach mal weggelassen. Ist doch richtig oder? Obwohl ich eig. der Meinung bin, jeder Sterbende hätte ein Recht darauf. Aber ich bringe es nicht über das Herz!
Zitat:
Manche Dinge muss ich mir wohl selbst bestätigen lassen... wie die Frage, ob ich ihm lieber nicht sage dass er sterben muss. Da steht man so hilflos da und weiß einfach nicht was das Richtige ist.
Ich denke, in dem Fall gibt es kein richtig oder falsch. Sondern nur das, was für euch zu bestimmten Zeiten ganz individuell passt. Mein verstorbener Bruder wollte oft ganz genau wissen, was gerade mit ihm passiert und was noch auf ihn zukommen kann. Also hat er, wenn er solche Themen von(!) sich(!) aus(!) ansprach, von mir ehrliche und (soweit möglich) vollständige Antworten bekommen. Kann nicht ganz falsch gewesen sein, insofern er sich, wenn ihn die Fragen nach dem wann und wie werde ich sterben akut umtrieben, immer wieder gezielt an mich wandte. Zu anderen Zeiten wollte er sich nicht damit auseinandersetzen bzw. lieber weniger realistische Dinge hören. Dann hat er sich eher an Menschen der Hoffnungsfraktion gewandt.

Klar, "nicht die Hoffnung nehmen" hört sich erstmal gut an. "Falsche Hoffnungen machen" hört sich nicht immer toll an. Ganz schrecklich stelle ich mir aber eine Situation vor, in der der Kranke sich nicht traut, den Tod anzusprechen. Obwohl er eigentlich darüber reden möchte. Weil er seine Angehörigen schonen will. Und die Angehörigen sich nicht trauen, den Tod anzusprechen. Obwohl sie es eigentlich möchten. Weil sie den Sterbenden schonen wollen. Da kann die gegenseitige Rücksichtnahme, denke ich, in eine fiese Sprachlosigkeit kippen. Ein riesiger Elefant mitten im Zimmer. Alle tänzeln drumrum, tun aber so, als wäre da nix. So kann man, scheint mir, einen Sterbenden mit besten Absichten vielleicht auch arg alleine lassen.

Bei meinem Bruder war halt alles da: Mal wollte er sich, durchaus detailliert und bis hin zu scheußlichen Details, die Krebs im Kopf-Hals-Bereich mit sich bringen kann, mit seiner Krankheit und dem Sterben auseinandersetzen. Mal wollte er hören, dass er ja bestimmt noch in einem halben Jahr mit einer Freundin XYZ machen würde. Und mal wollte er einfach seine Kontoauszüge durchsehen. Oder in netter Gesellschaft Fussball kucken. Wir haben uns an dem orientiert, was er jeweils signalisierte. Und an unserem Bauchgefühl. Er war nicht allein. Mit keinem seiner Wünsche und Bedürfnisse. Weder mit dem Wunsch nach offenen Gesprächen. Noch mit dem Wunsch nach zeitweiligem Verdrängen. Und das war, denke ich, gut so.

Ja, es sind unfassbare Situationen. Ich wünschte, diese furchtbare Krankheit hätte Andreas nie erwischt. Aber es war eine Ehre, ihn begleiten zu dürfen. Auf seinem ganz eigenen, ganz charakteristischen Weg. Und es ist ein gutes, warmes Gefühl, dagewesen zu sein, als er uns brauchte. So wie er es brauchte. Das bleibt.

Auch von mir alles Gute dir und deiner Familie! zarah
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