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Alt 22.09.2014, 21:47
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Was kann man noch erwarten vom Leben?

Liebe Schnecki,

wir sind ja in einer sehr ähnlichen Situation - auch meine Kinder sind klein, 5 und 7. bei Diagnosestellung 1 und 2.5 Jahre. Wie oft ich in diesen letzten Jahren durch die Psychohölle ging - ich habe es nicht gezählt. Und stets war es die Angst um die kleinen Kinder, die das schlimmste war.

ich habe logischerweise kein "allerwelts-heil-rezept". doch ich habe gemerkt, dass mir einige wenige Gespräche mit Psychologen geholfen haben. Inhaltlich bin ich erst weiter gekommen, wenn ich nicht mehr davon gelaufen bin. sondern mich dem Gedanken ganz konkret gestellt habe: was passiert ganz konkret, wenn ich den schlimmsten Fall annehme? Was passiert mit den Kindern, wenn ich sterbe? Was soll dann sein? Kann ich dazu jetzt etwas tun? Kann ich mich absichern? Kann ich ihnen noch etwas mitgeben, was ich bis jetzt vergessen habe? Was will ich, dass sie dann noch wissen müssen von mir? Wie soll alles geregelt sein? WEr hilft ihnen und wer hilft meinem Mann? Wie soll das aussehen?
Und dann auch: was habe ich ihnen bis jetzt mitgegeben? Wieso glaube ich denn, dass sie schlechter aufwachsen als mit mir? Sie können doch trotzdem glückliche, zufriedene Menschen werden, die ihren Platz im Leben finden werden - auch ohne mich!!

Na ja, das alles jetzt hier niederzuschreiben, würde zu lange dauern und ausufern. aber ich habe immer die Reha genutzt, um mich diesen schockierenden Gefühlen zu stellen. ich habe bei den Psychologen meine schlimmsten Ängste ausgesprochen, war knallhart zu mir selbst und bin dort auch zusammengebrochen. Aber dort hatte ich wenigstens die ZEIT und den RAUM dafür, den ich in meinem Familienleben nicht habe.

auch ich vermisse meine Arbeit sehr. doch schlussendlich sind es die Kinder, die zählen. ich versuche, ihnen das kleine bischen mehr mitzugeben, das sie brauchen werden. versuche, ihnen das mit der endlichkeit des Lebens klarzumachen und was das bedeuten kann. sage ihnen, dass ich immer bei ihnen sein werde, auch wenn ich nicht mehr da bin. weil sie immer wissen werden, was ich dazu gesagt hätte, weil sie sich immer vorstellen können, wo immer und wie immer ich war. klar, das ist traurig. aber es gibt halt Dinge, die wir nicht beeinflussen können.
aber lernen können, damit umzugehen. und kinder sind da unglaublich anpassungsfähig.

gerade mein grösserer, der ja 1 jahr älter ist als deine, oder?, versteht in dieser Richtung nun schon ganz viel.
und ICH bin in einer ganz anderen Situation als du. Bei dir besteht die ganz und gar berechtigte Chance und Aussicht auf dauerhafte Heilung!!!

Gib dir Zeit, die Verarbeitung setzt erst nach der Chemo richtig ein.
Die Psyche meldet sich erst zu Wort, wenn der Körper wieder auf dem Weg der Genesung ist. und es ist wichtig, ihr dann ganz viel Zuwendung zu geben.

DU SCHAFFST DAS !!!

Kinder sind ein einzigartiger Motivator für Gesundheit und Durchhaltevermögen!
liebe Grüße vom
engelchen
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