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Alt 28.09.2014, 17:10
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens

Hallo an Alle,
ich war im letzten Jahr mehrfach in der Situation, dass ich mit dem Wunsch meiner Frau, früher zu sterben, konfrontiert war. Es waren Situationen extremer psychischer Belastung für sie und auch für mich. Dabei ging es meist nicht um eindeutige Situationen in denen man „vernünftig“ entscheiden kann, wie sie die Anhänger der Sterbehilfe immer wieder darstellen. Es war vielmehr meist nicht klar, ob es nicht doch noch eine andere Lösung gab, nämlich etwas längeres Leben mit mehr Lebensqualität. Auch war der Wunsch nicht ständig vorhanden, manchmal hatte sie wieder Hoffnungen und ich habe sie darin bestärkt. Die Entscheidung lag aber immer bei ihr. Bitter ist es dann, wenn man im nachher feststellen muss, dass es diese anderen Lösungen tatsächlich nicht gegeben hatte. Hier lese ich immer wieder, dass viele andere Angehörige diese bittere Erfahrung gemacht haben. Die Betroffene und die Angehörigen haben wieder Hoffnung, aber dann wird es eher noch schlimmer. Für mich prägt diese Erfahrung auch meine Vorstellungen vom Alter. Im Dezember 2012 lernte Tanja in einer Krebs-Nachsorge-Klinik eine andere Patientin aus dem Ruhrgebiet kennen. Sie hatte in einem Pflegeheim gearbeitet. Tanja telefonierte später noch mit ihr. Es ging ihr damals schlecht. Sie sagte, wenn sie das dort so sehe, wolle sie nicht alt werden. Vielleicht versuchte sie so, ihre Situation zu bewältigen. Aber deswegen ist es nicht völlig falsch. Für mich ist die Autonomie wichtig. Wenn ich völlig abhängig vom Pflegepersonal bin und es keine Aussicht auf Besserung gibt, möchte ich nicht mehr leben. Noch schlimmer wäre es, wenn Angehörige mich jahrelang pflegen müssten, aber diese Möglichkeit besteht bei mir sowieso nicht. Auch sehe ich die Möglichkeiten der Medizin skeptischer als vorher.
Liebe Grüße
Hermann
ps. In den letzten 10 Tagen vor ihrem Tod war keine Sterbehilfe nötig. Lebensverlängernde Maßnahmen wurden nicht mehr durchgeführt.
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