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Alt 08.11.2014, 23:12
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Geliplie Geliplie ist offline
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Standard AW: OP oder nicht?

Liebe Jana, all ihr anderen. Vielen Dank für alles, für eure Worte und für das an euch denken. Jana, bitte lass den Faden nicht einschlafen. Ich habe mich rein geschlichen in der Hoffnung, ganz lang dabei sein zu dürfen und mit euch zu erzählen, zu hoffen, zu freuen und auch mal zu weinen. Nun ist das passiert, womit ich nie gerechnet hätte. Meine Mama, meine beste Freundin, meine seelenverwandte, ist nicht mehr da. Da ich zur Zeit medikamentös recht gut eingestellt bin, möchte ich nun auch das Ende schreiben, es ist ein Tagebuch für mich und vielleicht auch für meinen Sohn irgendwann, noch ist er zu klein.

Am 5.11. wollte ich zur Mama. Wieder ewiges Warten in der Schleuse vor ITS. Ich habe ja immer mein Häkelzeug dabei, sonst würde ich das gar nicht aushalten. Bin nicht gemacht für Räume ohne Fenster. Irgendwann würde ich dann rein geholt. Den Anblick vergesse ich nie. Mama lag da, bekam schlecht Luft, blick Richtung Fenster, die Rollos waren unten. Habe 100 x gesagt, dass die Rollos oben bleiben sollen, Mama liebt die Luft und den Himmel. Aber nein, es könnte jemand von gegenüber rein gucken. Ja und wenn. Zuerst habe ich die Rollos hoch gemacht. Als ich mich dann umdrehte, schaute sie mich mit weit aufgerissenen Augen an. Wackelte mit den Händen. Erst da sah ich, dass sie angebunden war. Sofort habe ich sie los gebunden und sie schüttelte die Hände aus. Kam die Schwester, so ginge das aber nicht. Ich habe sie angegiftet, dass, so lange ich da bin, meine Mama nicht angebunden ist und fertig. Sie atmete ganz schwer und mir ging durch den Kopf, das sie sagte, dass sie nie ersticken wolle. Alles aber nicht ersticken. Plötzlich nahm sie meine Hand, ganz fest, riss sie hoch regelrecht, atmete tief ein und schloss dann den Mund, mit den sie geatmet hatte und atmete nur noch durch die Nase. So als wie sie sagen, ich schaffe nicht, ich habe auf dich gewartet und nun kann ich gehen. Kam eine Schwester rein, weil die Geräte piepten und brüllte die Mama an: "Frau ...!! Atmen Sie! Atmen Sie tief ein". Machte Mama nicht. Sofort kam der Arzt, ich würde raus geschoben, wieder in die Warteschleuse. 10 Minuten später kam der Arzt. Sie sei wieder im künstlichen Koma und wieder intubiert. Das war er also, der letzte Moment, wo ich Mama bei Sinnen gesehen habe. Sie sagten dann, sie hätten das nicht gemacht, wenn nicht noch Hoffnung bestehen würde. Ich blieb dann noch ne Stunde, war aber dann so fertig und hatte das dringende Bedürfnis, bei meinem Kind zu sein, dass ich gegen 20 Uhr gefahren bin. Meine Visitenkarte hing über ihrem Bett, da war ich beruhigt, dass man mich jederzeit anruft und auch alle Nummern hat.

Am nächsten Morgen kuschelte ich noch mit Kindchen im Bett, 6.55. klingelt mein Handy. Ein Dr. ... Von der ITS, ob ich kommen kann. Man hätte es mir ja schon auf den Anrufbeantworter gesprochen. Ich habe gar keinen Anrufbeantworter. Bin also los. In der Schleuse holte mich der Oberarzt, meiner Mutter ginge es sehr schlecht und während er mich da abholt, könne sie schon "gegangen" sein. Ich hab den gar nicht ausreden lassen und bin in das Zimmer gerannt. Puls bei 30, Blutdruck 60:35. das Ganze nur, weil noch Kreislauf unterstützende Mittel in sie liefen. Atmung Dank Beatmungsschlauch ruhig. Tja. Saß ich da habe geweint, geschimpft, dass wir doch noch so viel vor haben... Das ganze 10 Minuten, dann habe ich gemerkt, dass ich das alleine nicht schaffe. In dem Moment kam der Arzt wieder und sagte, dass er sie nun nicht länger quälen wolle und die Kreislauf Mittel abstellen wolle. Also habe ich meinen Freund angerufen, obwohl unsere Beziehung ja schwierig ist, und habe gesagt: "sie stirbt! Kannst du kommen?" Und er kam. Kopflos, nichts gefunden, völlig durcheinander. Als er dann da war, wurden die Mittel abgestellt und es dauerte 10 Minuten. Punkt 9 starb meine Mama in meinen Armen.
Schlimm war, dass man erst die Kreislaufmittel abstellte und dann das Dialyse Gerät piepte, weil ein Beutel gewechselt werden wollte. Daraufhin sagte ich recht ungehalten, wieso die Dialyse überhaupt noch läuft. Recht hätte ich, sagte der Arzt und kabelte Mama ab. Das passte dem Gerät nicht und es machte einen langen nicht enden wollenden piep Ton, der während des Sterbens meiner Mama anhielt. Ich habe gebrüllt: "ich ertrage das nicht, macht das aus!!" Sie wussten nicht wie, schafften es nicht. Der Ton ist in meinem Kopf. Und Mama war tot und atmete weiter weil sie noch intubiert war. Horror

Man bat mich dann nach draußen, wollte die Kabel ziehen und die Magensonde und Mama etwas zurecht machen, damit ich Abschied nehmen könne in Ruhe. Kerze und Pfarrer kämen dann auch. "Ich will weder eine Kerze, noch einen Pfarrer!!"
Ich bin dann aus dem Raum, mein Freund ging vor mir. Er hatte die ganze Zeit vor dem Bett gestanden. Plötzlich versagten meine Beine und ich lag da.

Ich bekam Traubenzucker und bin erstmal vor die Tür, eine rauchen, zwei.

Dann bin ich auf die Station, wo sie ja eigentlich wieder hin sollte nach ITS. Wollte ihre Sachen. Schließt einer den Schrank auf und ich sehe Ihre Lieblingsklamotten. Ich rutschte wieder auf die Erde.


Die Sachen zum Auto gebracht. Gucke derweil meinen Freund an. Grün. Erst da wurde mir bewusst, was ich ihm angetan hatte. Er hat in seinem ganzen Leben noch nie einen toten Menschen gesehen, geschweige denn jemanden sterben. Das war mir gar nicht bewusst.

Ich habe da dann noch Zeit vertrödelt, wollte gar nicht so richtig zurück zur Mama und natürlich irgendwie auch doch. Wir sind dann wieder in der verhassten Schleuse gelandet. Kam der Oberarzt mit einem Prof .... Er sei bei der OP dabei gewesen und sie hätte da schon zwei mal Kreislauf Probleme gehabt und er hätte mal eine Frage. Man wisse nicht, woran genau sie gestorben sei und wollen eine Obduktion. Damit überfährt man mich mal eben. Da ich selbst schon bei einer dabei war, gefiel mir der Gedanke gar nicht. Da ich aber andererseits ein Mensch bin, der alles hinterforscht, weiß ich, dass ich im halben Jahr hier sitzen würde und es auch wissen wolle. Also habe ich zugestimmt. Der Arzt sagte mir, dass er mich unverzüglich gleich am Freitag anrufen würde und mir das Ergebnis mitteilen würde. Schriftlich bekäme ich nichts.

Wir sind dann wieder zur Mama. Sie sah aus wie mein Vater, als er tot war, also nicht mehr wie die Mama sondern ... Ich kanns nicht beschreiben. Mein Freund könnte nicht mehr, bat mich, Heim fahren zu dürfen. Ich blieb noch. Echt obduzieren? Oder Ruhe geben? Ich habe den Arzt nochmal kommen lassen. Er hat mir erzählt, dass er bei der OP dabei war und dass man sie aufgemacht hätte und gesehen hätte, dass an der Aorta auch unklares Gewebe sei. Man hat einen Schnellschnitt gemacht und der sei negativ gewesen. Also habe man weiter operiert. Dann aber gesehen dass der Tumor doch die Aorta hoch wächst. In die Aorta rein. Trotz ihrer op hätte sie mit chemo, die ja wegen des Herzens nicht gegeben hätte werde dürfen noch 1,5 Jahre allenfalls gehabt hätte. Wenn das Herz durchgehalten hätte. Ich habe gebettelt, die Ergebnisse schriftlich zu erhalten und wir haben einen Deal ausgehandelt. Also habe ich dann doch zugestimmt.

Leider kam der Anruf nicht. Das enttäuscht mich maßlos aber ich bleibe am Ball.

Und eins noch: gebt 1000 x eure Nummern an. Sie hatten tatsächlich auf den Anrufbeantworter gesprochen, aber am Telefon meiner Eltern, ich war heute im Haus. Tja. Da war ja keiner. Erst eine halbe Stunde später kam dann der Anruf auf meinem Handy.


Ja, das war mein Bericht. Ich würde mir wünschen, noch ein bisschen bleiben zu können hier bei euch. Ich hatte Halt empfangen und liebe Worte, ich habe euch alle ins Herz geschlossen. Mag nicht ins Hinterbliebenen Forum wechseln, bin Angehörige.

Ich hab euch alle lieb und wünsche euch alles alles Gute.

Eure Geli
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Geli

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13.02.2013
06.11.2014

Geändert von Geliplie (08.11.2014 um 23:16 Uhr) Grund: Zusatz
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