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Alt 08.02.2005, 09:37
Gast
 
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Standard Hinterbliebene sind Aliens

Hallo,

ich war schon aus anderen Gründen in einer Psychotherapie als mein Vater im letzten Jahr gestorben ist.

Seine letzten Wochen und dann die Zeit nach seinem Tod, aber auch viele daraus enstandene Probleme in der Familie haben mich natürlich auch sehr belastet. Mein Therapeut war in dieser Zeit meine wichtigste Stütze und er ist es noch, dort kann ich jederzeit über meine Trauer und das ganze Drumherum sprechen. Im sonstigen Umkreis ist das Verständnis und die Bereitschaft "immer wieder das gleiche Thema" mit mir durchzukauen auch eher gering. Allerdings muss ich - wie Petra - auch zugeben dass ich früher vermutlich auch nicht hätte begreifen können WIE sehr es schmerzt und einen verändert und WIE LANGE das alles dauert, dass der Alltag eben nicht so schnell wieder kommt.

Ich denke zwar schon dass ich ganz gern anderen zuhöre und auch generell vor "Problemthemen" nicht so schnell die Augen verschliesse... aber gerade beim Thema Tod habe ich auch grosse Berührungsängste gehabt. Es war in unserer Familie immer ein Tabu, und wenn man jemandem kondolieren musste war ich immer sehr unbeholfen und wusste nicht was tun, oh Gott was mache ich wenn der/die gleich losweint, usw...... habe mich im Zweifel versucht zu drücken, war auch feige,.... also kann ich mir schon vorstellen dass es bestimmt vielen anderen jetzt mit mir genauso geht vor allem wenn sie selbst die Erfahrung nicht kennen, noch nicht.... Ich denke wir die es jetzt erlebt haben reifen sehr dadurch. Ich habe mich verändert und fühle mich dadurch teilweise entfremdet von denen, denen diese Erfahrung bisher fehlt. Aber jetzt ist so vieles anders, neulich habe ich im Buchladen ein Buch angesehen, ein Bildband der das Sterben in Hospizen dokumentiert, es hat mich sehr berührt und ich will es mir auch kaufen (ziemlich teuer...). Früher hätte ich einen riesen Bogen um sowas gemacht, naja kein Wunder wenn man den Tod nur als Tabu erlebt. Ich hatte immer Angst/Grusel/Unwohlsein vor Friedhöfen und jetzt ist der kleine Dorffriedhof auf dem mein Vater liegt mein Ort der Ruhe, ich wandere dort herum, war sogar schon in der Dämmerung dort um die Kerzen anzuzünden (ich kleines Angsthäschen) und fühlte mich dort ganz sicher. Und wenn man einmal beim Bestatter gesessen hat und die ganzen Details entscheiden musste und schiebkarrenweise Graberde geschaufelt hat um den Hügel abzutragen und und und.... von dem was davor war mal abgesehen, der Krankheit und dem Sterben... dann hat man Dinge und Bilder im Kopf die man auch mal ausssprechen möchte oder muss und die viele andere Menschen nun mal nicht hören wollen. Und ich denke auch, früher hätte ich das bestimmt auch nicht verstehen können.

Viele Grüsse
Kerstin
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