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Alt 03.06.2005, 15:45
Gast
 
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Standard auf einmal ist alles anders....

Hallo liebe Bruni,
ich wollte dir gern auch noch ein paar Zeilen schreiben zu deinem Beitrag vor 2 Tagen an Dagi. Ich hatte nicht so ein Erlebnis, wie du es mit Jürgen erlebt hast, aber ich bin ebenfalls überzeugt, er hat etwas schönes und für ihn beruhigendes gesehen.
Ich hatte dafür ein anderes Erlebnis mit meinem Mann. Ich bin in das Zimmer gegangen, wo sein Pflegebett stand und er fragte mich, wer denn noch im Zimmer sei. Ich muss dazu erwähnen, dass mein Mann durch den Tumor erblindet war. Ich habe ihm versichert, dass niemand zu Besuch ist. Er wollte mir aber nicht glauben und sagte, jetzt verrat mir, wer hier ist und warum geben sie mir nicht die Hand. Ich habe ihn gefragt, wenn er denn sieht – naja hätte ich mir auch sparen können – er meinte nur: "Witzig meine Süße, ich kann doch nix sehen." Er hat ganz sicher Personen wahr genommen und war durch seine Blindheit verunsichert, weil er sie nicht sehen konnte. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht so richtig, was ich darüber denken sollte. Vielleicht hat er ja fantasiert, denn ca. zwei Stunden später ist er in einen "Dämmerzustand" versunken. Zwei Tage später ist er für immer eingeschlafen. Und inzwischen bin ich mir sicher, es war jemand da um ihn zu begleiten!

Andreas, Bruni – ich habe mich auch oft im Pflegebett an C. gekuschelt. Wir haben die gemeinsamen Momente genossen und ein paar Mal bin ich sogar in den unbequemsten Lagen mit ihm zusammen eingeschlummert. Jeden Abend hatten wir unser Ritual, auf dass er sich gefreut hat: es gab die letzten Tabletten, die Thrombosespritze, ein paar Streicheleinheiten und kuscheln, bis wir beide fast eingeschlafen sind, ehe ich mich dann in mein eigenes Bett verkrochen habe. Denn für zwei Personen, ist das Bett wirklich eindeutig zu klein! Irgendwann kam auch die Zeit, wo mein Mann sehr berührungsempfindlich geworden ist und das kuscheln nicht mehr wollte. Ich muss zugeben, anfangs konnte ich es nicht verstehen, weil ich immer seine Nähe gesucht habe. Wir haben uns dann auf „Händchenhalten“ geeinigt. Es war wichtig auf seine Wünsche einzugehen, auch wenn es mir schwer gefallen ist.

Was ich noch erwähnen möchte, vielleicht auch für stille Mitleser: mein Mann war ca. 1,88 m groß und hatte mit der Länge des Pflegebettes Probleme. Er ist mit den Füssen immer unten am Bett angestoßen, er konnte nie so wirklich bequem liegen und die Füsse ausstrecken. Wenn man das Rückenteil hochgestellt hat, musste er die Beine immer leicht anwinkeln. Leider bin ich erst am Ende so richtig massiv geworden und dann darauf hingewiesen wurden, dass es auch größere Pflegebetten gibt bzw. die Möglichkeit der Bettverlängerung. Mein Mann kam in diesen Genuss leider nur sehr kurze Zeit.

Bruni, als ich deine Zeilen gelesen habe, wurde ich an unsere Zeit erinnert, die kleinen Zeichen die einen den Tag verschönern: Als C. kaum noch ansprechbar war und wenige „wache“ Momente hatte und habe ich ihn einmal einfach gefragt: Möchtest du lieber einen Himbeer- oder Erdbeerjogurt? Ich habe überhaupt nicht mit einer Antwort gerechnet, doch es kam wie aus der Pistole geschossen: Himbeerjogurt! In diesem Moment habe ich mich so riesig gefreut. Oder aber einfach nur ein Händedruck von ihm. Und für diese kleinen Momente lebt man. (Mein Mann musste in diesem "Dämmerzustand" nur eine ganz kurze Zeit zubringen, wofür ich heute noch dankbar bin.)
Bruni, Andreas – ich finde ihr steht euren Partnern großartig zur Seite, ich bewundere euch wirklich.
Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft und dass ihr die Zeit so gut es geht mit euren Lieben geniesst. Meine Gedanken sind bei euch.

Erst habe ich mich nicht getraut etwas zu dem Thema schreiben und jetzt ist es jede Menge geworden, hoffentlich nicht zuviel.
Bisher habe ich mich nur gelegentlich zu Wort gemeldet, aber nicht weil ich meine Erfahrungen hier nicht wiedergeben möchte. Eher ist die Angst, hier negative Sachen niederzuschreiben und damit anderen den Mut, die Hoffnung zu nehmen. Und ich wünsche es mir mit meinen jetzigen Zeilen nicht getan zu haben.

Dayo, ganz liebe Grüße an dich und deine Kleine.

Seid alle hier lieb umarmt, Jazz

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"Hoffnung, ist ein Boot auf stürmischer See.
Auf seinem Weg zum Horizont.
Hoffnung ist dein Ruder, sind Wind und Wellen.
Solange du hoffst kannst du nicht untergehen."
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