Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......
So, jetzt aber...
Ich seh uns im Garten sitzen, es ist noch immer warm, endlich mal eine richtige Sommernacht. Gartenleuchten haben wir ja genug.Ihr seid da, Chandra nagt an den Knochen und fragt mit intensiven Blicken immer wieder mal bei Briele nach,ob nicht Schokolade doch gut zu den Knochen passen könnte. Kassandra und Röschen sind natürlich auch da-meine Mama hätte sie sehr geliebt,die beiden.
Ich habe, wenn ich an Mamas Krankheitszeit zurückdenke im Großen und Ganzen ein sehr gutes Gefühl. Wir haben sie genutzt, unsere Zeit und sind uns noch mal näher gekommen. Die Rollen haben sich vertauscht, ich konnte mal sie umsorgen und es gab auch eine neue körperliche Nähe, die zuerst ungewohnt, aber dann sehr schön war.Zwei Mal aber habe ich sie im Stich gelassen bzw.haben meine Kräfte nicht ausgereicht, sie zu begleiten. Davon möchte ich euch erzählen:
Am Donnerstag, den 22.7.( wie gesagt,Mama starb in der Nacht von 27.7. auf 28.7.)hatten wir noch einen schönen Sommertag. Papa kam zu Besuch ( sie lebten seit 15 Jahren getrennt),mein Bruder hatte auch gerade Urlaub, wir saßen stundenlang alle zusammen im Garten. Mama, noch immer beweglich wie ein Grashüpfer,lachte noch, weil Papa sie fragte, ob sie eine Gehhilfe benötige, er könne so etwas jetzt seinem Nachbarn abkaufen.Nein,so was brauchte sie wirklich nicht, obwohl der Tumor sichtbar weiterwuchs in Richtung Stirn und Auge.Es war ein so schöner Tag, ich seh uns noch immer dort sitzen, eben unter der Kastanie.
Freitag morgens war dann eine andere Zeit angebrochen.Ich ging zu ihr in Wohnung,sie war schon lange auf und sagte das erste Mal, dass es ihr heute nicht gut gehe und sie eine schlechte Nacht gehabt hätte, ohne genau sagen zu können, was war.
( Jetzt vermute ich,sie hatte in dieser Nacht schon einen cerebralen Anfall).Sie meinte dann, dass wir uns trotzdem zum Kaffeetrinken in den Garten setzen könnten. Doch dann veränderte sie sich wirklich innerhalb von Minuten. Sie saß zusammengesunken auf ihrem Sessel,ihr Blick war ganz anders als sonst.Sie sagte zu mir, sie wolle heute nicht reden und sie sah nur die ganze Zeit Chandra an, die bei ihren Füßen lag, diese auch ganz ungewöhnlich ruhig.Dieses Schweigen war so anders, bedrückend.Ich begann dann,in ihrer unmittelbaren Nähe ein wenig im Garten herum zu arbeiten.Ich war verwirrt und dachte mir,vielleicht habe sie Depressionen oder wolle eben ganz einfach kein Gespräch.Doch ich sah sie immer wieder an, sie wirkte so "entrückt",so unerreichbar. Und dann plötzlich schrie sie.Sie schrie so laut und lange, ich höre es noch heute und erinnere mich an mein Entsetzen.Dieser Ton war fürchterlich, ich dachte, sie habe unerträgliche Schmerzen. Dann fiel sie im Sessel zurück und ihre Arme und Beine zuckten wie wild.Ich war unfähig, etwas zu tun, ich war wie gelähmt und sah sie nur fassungslos an.Ich ging nicht zu ihr, ich konnte sie nicht stützen, ich stand nur da. Zum Glück oder vielmehr sehe ich es als Fügung, war mein zweiter "Lebensmensch",mein Cousin, der im Nebenhaus wohnt, zufällig zuhause,hörte Mamas Schrei und kam mit seinem Vater in den Garten gerast. Sie wußten sofort, was zu tun ist und trugen Mama ins Bett,brachten sie in Seitenlage und sprachen beruhigend auf sie ein. Ich schaffte es wenigstens, die Rettung halbwegs verständlich zu instruieren .Während sich dann, als die Rettung gekommen war, ein Haufen Menschen um Mama herum zu schaffen machten, stand ich immer noch in der Küche,kaum fähig, ihnen klare Auskünfte zu geben.Sie fragten mich auch,ob sie Mama wiederbeleben sollten,wenn etwas auf dem Transport passieren würde.Wenigstens das wußte ich und konnte ich klar sagen, dass das Mama nicht wünscht. Sie hat es mir oft und oft gesagt vorher.Ich war so neben und außer mir und so voll Panik, dass ich auch nicht mitfahren konnte in der Rettung.Mein Cousin und ich fuhren aber gleich hinterher und waren gleichzeitig mit der Rettung im Krankenhaus, wenigstens das.Ja,und dann begann Mamas Sterben, 4 Tage lang.Ich wußte aber schon an diesem Freitag, mit diesem Schrei, dass es nun zu Ende geht, das war gut, denn die Ärzte meinten, es werde so mit Mama in ihrem halbkomatösen Zustand ev noch wochenlang gehen,weil Herz und Kreislauf stabil seien.
Ich habe dieses Bild bis heute in mir. Mama, wie sie am Gartentisch sitzt,ich halb hinter ihr Gras zupfend und dann dieses Schreien.
Es wäre gut gewesen, wenn ein Arzt mir bei den Gesprächen gesagt hätte, dass Mama einen sg. Grand Mal Anfall erleiden könnte und was dann zu tun ist.Ich habe danach 2 Ärzte gefragt, warum Mama so geschrien hat und ob das ein Schmerzensschrei war. Der eine sagte, er könne das nicht sagen, da epileptische Anfälle noch immer nicht restlos erforscht wären, Schmerzen dabei können nicht ausgeschlossen werden.Der andere meinte, der Tumor hätte auch an das Sprachzentrum gedrückt und dort eben diesen Schreiimpuls ausgelöst.
Ich habe lange Probleme mit dieser Erinnerung und meinem Verhalten gehabt.Ich bin doch die ganze Krankheits-Zeit bei ihr gewesen, als es aber wirklich schwer wurde, da konnte ich nicht mal mit ihr reden, geschweige denn sie halten oder vor einem Sturz bewahren( der Gott sei Dank nicht erfolgte).Wie konnte ich nur so in Panik geraten, so hilflos sein? Und ich hätte wenigstens in der Rettung mitfahren müssen. Wäre sie während der Fahrt gestorben, ich hätte lang daran gelitten.
Letztlich hat es das Schicksal gut mit uns gemeint.Mein Cousin, der Ähnliches mit seiner Mutter erlebt hat, war wirklich "zufällig" an diesem Freitag um 10.00 vormittags zuhause,weil ihn sein Vater um Hilfe wegen eines akuten Wasserschadens im Haus in der Arbeit anrief.Mama ist nicht gestorben während des Transportes. Wir hatten noch gute Stunden, es war auch "zufällig" soeben ein Platz auf der Palliativstation frei,wo sie immer hinwollte, wenn es zu Ende geht. Und sie wollte, dass wir bei ihr sein können, wenn sie geht und so war es auch.
Für all das bin ich sehr dankbar,ich sehe Vorsehung und Fügung darin, dass es letztlich " gut" ausging. Die Schatten dieses Freitags kommen aber zeitweise immer wieder einmal hoch.Ich hätte mir gewünscht, auch in dieser Situation für sie da gewesen zu sein, wie sonst auch.Aber das habe ich nicht geschafft.
So, das tat gut,es euch erzählen zu können.Wisst ihr, ich habe nicht den Anspruch an mich,immer "gut und perfekt" zu sein, das ist es nicht. Aber ich hätte mir irgendwie schon von mir selber erwartet ,dass ich ruhiger und besonnener handeln hätte können.Ich habe ja gewußt, dass Mama auf den Tod zuging,allerdings nicht, dass so ein Anfall kommen kann.
Briele,du hast öfters mal geschrieben, dass das Schreckensszenario, welches die Ärzte für möglich hielten weder bei deiner Mama noch bei deinem Vater (Gott sei Dank,nochmals )eintrafen. Ich wäre möglicherweise doch besser dran gewesen, wenn ich diese Informationen bekommen hätte.
Meine Lieben, ich dank euch für´s Zuhören,
Alina
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