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Alt 22.10.2005, 19:04
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Krankheitsverlauf - was meint ihr?

Hallo Michael,

mein Vater hatte auch Darmkrebs. Über ca. 2 Jahre nach seiner OP habe ich nie alle Details gewusst da er in der Lage war sich um alles mit den Ärzten selbst zu kümmern. Erst als es schlimm wurde und er nach OP-Komplikationen wochenlang auf der Intensiv lag sprach ich selbst mit den Ärzten, ebenso wie auch seine Frau. In den getrennten und z.T. gemeinsamen Gesprächen mit den Ärzten habe ich gemerkt dass z.T. unterschiedliche Antworten gegeben wurden, je nachdem "wie" man fragte, vielleicht auch was die Ärzte vermuteten was man ertragen kann oder hören will? Die Frau meines Vaters interpretierte sicher auch anders als ich, sie klammerte sich eher an die "Hoffnungsschimmer", während ich immer beharrlich sagte ich will den "worst case" wissen. Entsprechend unterschiedlich waren teilweise dann die Infos. Auch in gemeinsamen Gesprächen konnte ich das beobachten, wenn sie z.B. eine Antwort bekam und ich dann noch mehrmals nachhakte kam mehr heraus, bzw. auch die Infos eben über möglichen schlimmeren Ausgang.

Ich weiss auch nicht wieso ich das so konnte oder wollte, aber anscheinend musste ich direkt in den Schrecken hinein um es aushalten zu können, bei ihr war es eben anders.

Mein Vater hatte keine Patientenverfügung, ich nehme an als engste Angehörige durften/mussten die Ärzte uns alles sagen und mit uns besprechen - war jedenfalls so. Solange Dein Vater in der Lage ist selbst Gespräche zu führen, würde ich schon allein um ihm nicht das Gefühl zu geben Du bevormundest ihn, ihn fragen ob es für ihn OK ist wenn Du mal nachfragst bei den Ärzten. Nach allem was ich hier gelesen und selbst erfahren habe kann ich mir vorstellen dass sie es Dir zumindest etwas "anders" erzählen als ihm... vielleicht direkter. Du musst natürlich sehen ob Du das dann ggf. aushalten kannst bzw. wenn Du dann den Eindruck hast etwas zu wissen was dein Vater evtl. nicht weiss (oder nicht wissen will ????) - wie dann damit umgehen?

Wir konnten mit meinem Vater nie mehr so direkt über alles sprechen, weil er beatmet wurde und oft nicht klar war was er mitbekam. Aber wir mussten dann Entscheidungen treffen, das war fast mehr als man ertragen kann. Ich bin froh dass ich da war (soweit man über sowas froh sein kann...) aber es war + ist trotzdem hart. Trortzdem würde ich es jederzeit gern wieder machen. Trotzdem haben wir meinem Vater immer eher aufmunternd zugeredet... ich hätte so wie er dalag und sich nicht äussern konnte ihm nie sagen können was ich z.B. gerade gehört hatte. Wie gesagt, man wusste ja auch nie genau WAS er genau mitbekam. Das ging viele Wochen so.

Ich weiss ehrlich gesagt nicht genau was mein vater gewollt hätte wenn er noch hätte bestimmen können. je nachdem wie euer Verhältnis ist, und ob Du Dich traust (ich hatte damals als es noch ging leider nicht den Mut bzw. immer verdrängt...) versuch ihn zu fragen was er will... vielleicht will er dass Du mit Verantwortung übernimmst, vielleicht will er Dich leiber schützen? ich denke, mein Vater hat viele Details damals der familie vorenthalten um uns zu schützen, und vielleicht auch sich selbst denn je weniger wir wussten umso weniger drehte sich alles um das Thema Krebs. Aber irgendwann kommt man nicht mehr drumherum. Ich bete immer noch, dass wir alles in seinem Sinne gemacht haben. Wäre sicher besser gewesen man hätte mal drüber gesprochen. Andererseits... mein Vater war IMMER ein grosser Verdränger, vielleicht musste es auch so sein.

Deine Situation ist jetzt natürlich anders. Weiss nicht ob dir das jetzt weiterhilft.

Alles Gute + viel Kraft
Kerstin
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