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Alt 10.01.2006, 22:58
Crushi Crushi ist offline
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Registriert seit: 10.01.2006
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Standard AW: Mit 18 Hodenkrebs?!

Hi... mit genau 18 Jahren widerfiel mir genau das Gleiche. Mein linker Hoden war von einem Tumor befallen, sodass der komplette Hoden entfernt werden musste. Das ist bereits 2,5 Jahre her...

Doch ich möchte konkret auf Deine Fragen eingehen:

Auswirkungen:
Die Entfernung eines Hodens hat keinerlei Auswirkungen. Ganz besonders nicht für sexuelle Funktionen. Ebenso ist ein Hoden alleine in der Lage hinreichend Spermien zu produzieren. Seine (Deines Freundes) Fruchtbarkeit könnte höchstens durch die Chemo in einem gewissen Rahmen eingeschränkt sein, ist aber eher unwahrscheinlich. Es bleibt (eine stetig geringer werdende) Taubheit in der Leistengegend, wodurch der Hoden entfernt wurde. Ist etwas seltsam aber total in Ordnung.

Weitere Behandlung:
Sollte eine weitere OP anfallen, nämlich die Lymphknoten zu entfernen, so gilt zuallererst: KEINE PANIK! Ich glaube da ist sowieso eine gute Devise. Hodenkrebs hat Heilungschancen von 98%. 98%!!! Die Entfernung der Lymphknoten wird bei Hodenkrebs sehr oft vorbeugend vorgenommen, teils weil tatsächlich Grund besteht. So oder so: Es ist eine fantastisch-wirksame Methode! Durch diesen Schritt bleibt eine 8-10cm lange Narbe zurück. Es gibt geringfügig Risiken bei diesem Eingriff, allerdings keinerlei wirklich bedrohliche.

Eine weitere Alternative, oder Kombination mit obiger Methode, ist Chemo, bzw. Strahlentherapie. Anwendung erfolgt gemäß der Art des Tumors. Über Strahlentherapie weiß ich nur eingeschränkt Bescheid, ich selbst erhielt 3 Zyklen Chemo. Chemo ist bei weitem (!) nicht so schlimm, wie man sich das zuerst vorstellt. Die verabreichten Mittel gegen Übelkeit wirken hervorragend. Durch weitere nebenbei verabreichte Medikamente (u.a. Valium) schläft man sehr viel, was dem Körper aber auch gut tut. Etwas leidlich ist der große Harndrang. Man rennt wirklich oft auf Toilette. Die Chemo wird mit viel Flüssigkeit intravenös verabreicht, was natürlich auch alles wieder ausgeschieden wird.

Chemo (bei Hodenkrebs) erfolgt meistens über einen Port, oder ZVK (zentraler Venenkatheter) genannt. Wer jetzt weiter ließt wird vielleicht erstmal "IH!!" oder "Oh nein..." denken,... aber so ein Katheter ist eine geniale Sache! Dabei wird ein extrem dünner Schlauch (man spürt ihn nicht!!) durch die Vene, entweder vom Arm oder von der Brust aus bis vor eine Herzkammer geschoben. Ich wiederhole: Man merkt es nicht! Alles was man spürt ist der Einstich der Nadel, durch welche der Schlauch geschoben wird. Diese Prozedur ist nicht mal halb so schlimm, wie man sie sich vorstellt. Es wird gemacht, damit a) nicht immer wieder eine neue Nadel gesetzt werden musst, b) damit die Chemo die Venen nicht beschädigt, sondern übers Herz verteilt und verdünnt wird.
Ein Chemozyklus (von der Art die ich hatte - was aber glaube ich die verbreiteste Methode ist) geht über 15 Tage. 7-8 davon ist man im Krankenhaus. Die ersten 7 Tage erfolgt täglich eine Infusion von 6,5 Liter Flüssigkeit, größtenteils nur Verdünnung für die Chemo. An Tag 1,8 und 15 werden Spritzen verabreicht, welchen einen Wirkstoff enthalten, der einen metallernen Geschmack hervorruft (nicht schlimm).
Haarausfall ist eine ärgerliche Sache - aber ganz und gar nicht schlimm. Bei mir fielen die Haare nach dem ersten Zyklus aus und wuchsen mindestens ebenso schön wieder nach, auch wenn es ein Weilchen dauerte. Im Allgemeinen fallen nur die Kopfhaare aus, bei meinem dritten Zyklus auch Große Teile der Haare an Beinen, teils an Armen und ein paar Augenbrauen.

Persönliche Behandlung:
Ich persönlich fand es furchtbar, wenn andere Menschen das Thema totschwiegen. Aber da ist jeder verschieden. Zumindest einige wenige Male solltest Du mit ihm probieren richtig ernsthaft mit ihm über das Thema zu reden. Zeige ihm, dass Du für ihn da bist - auch, oder gerade wenn, er darüber sprechen will.
Die körperlichen Auswirkungen werden noch eine Weile für Schmerzen sorgen, welche aber nach einem Weilchen alle weg sind, sodass man sich da gar keine Sorgen zu machen braucht. Aber das Innere darf man nicht vergessen... denn das sieht man nicht.


Ich wünsche Dir, und allen anderen die das lesen mögen und unter Umständen in einer vergleichbaren Situation sind, nur das Beste. Aber denkt an die Heilungschancen. 98%!!!
Zuletzt noch eine kleine - wahre - Geschichte. Während meiner ersten beiden Zyklen war jeweils zeitgleich ein anderer Hodenkrebspatient anwesend. Er durchlief seinen dritten und vierten Zyklus Chemo. Am Ende erfuhr ich, dass sein Tumormarkerwert den meinen um das 500fache überschritten hatte, als er zur Behandlung kam. Er hatte einen sehr weit entwickelten Tumor, welcher schon viele Metastasen geworfen hatte.
Ein Jahr später, bei einer Nachbehandlung, traf ich ihn wieder. Er ist gesund und hat den Krebs besiegt.

Ihr schafft es!
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