AW: Mein geliebter Vater, Du wurdest erlöst
Hallo!
liebe Sonne, ich war so schlau und habe im letzten Jahr alle Nachrichten, die meine Mutter auf meinem AB hinterlassen hat auf Tonband aufgenommen und mein leiber Freund hat an Weihnachten heimlich mit der Digitalkamera einen kleinen Film von meiner Mutter und mir gemacht, da gibt es also ein bisschen was. Leider hat meine Mutter kein Erinnerungsbuch gemacht - das hatte ich mir von ihr gewünscht, aber für sowas war meine Mutter einfach nicht sentimental genug. Sie konnte nicht verstehen, was das bringen soll.
Ich glaube, ich kann erst dann um meine Mutter richtig trauern, wenn ich die letzten 3 Monate die wirklich schlimm, weil voller Chaos und Angst, waren anfange zu vergessen. Dann kann ich wieder an meine Mutter, so wie sie war denken und bin dann auch traurig. Die letzten Monate waren so schlimm, dass ich da einfach froh bin, dass die vorbei sind - für meine Mutter, aber auch für mich.
Vielleicht wundert Ihr Euch, warum bei uns ich alles erledige. Das liegt daran, dass es sonst keinen gibt: Meine Eltern haben sich getrennt, da war ich 12, ich habe keine Geschwister und der Freund meiner Mutter hat sich letztes Jahr von ihr getrennt, weil er mit der Krankheit nicht mehr zurecht kam. Und wie super die Familie ist, habe ich ja schon erzählt. Auf jedenfall habe ich so alles hautnah mitbekommen, einfach weil ich schon die letzten 20 Jahre Mamas Vertraute und Partner war.
Liebe Bine, ich kann verstehen, dass Du mit dem Schicksal haderst. Tun wir alle. Aber es gibt keinen Grund, warum es Deinen Vater erwischt hat. Wenn es er nicht gewesen wäre, dann wäre es jemand anderes gewesen und das ist auch nicht wirklich besser. Wenn das Schicksal einen Schicksalsschlag zu vergeben hat, dann wird es ihn auch los. Es ist nicht so, dass es ihn wieder einpackt und sich entschließt, ihn doch nicht zu vergeben. Mir ist aufgefallen, dass das Schicksal ganz gerne bei den gleichen Leuten mehrmals zuschlägt ... Das hilft nur nicht wirklich, oder?
Wie Sonne träume ich momentan sehr viel und meistens schlecht. Mir würde es helfen zu wissen, dass es meiner Mutter gut geht und sie glücklich ist. Ich will das nicht nur hoffen und glauben, sondern wissen!!! Wenn der Himmel uns die Möglichkeit geben würde, dass wir einmal im Jahr telefonieren dürfen, dann wäre es einfacher ...
Viele Grüße,
Tanja
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