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Alt 01.03.2006, 08:50
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AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Dein Beitrag hat mich lange beschäftigt. Jeder einzelne deiner Kritikpunkte, nicht von der Hand zu weisen. Auch ich hab mir zumindest einen Schuh anziehen müssen und mir die Frage gestellt: Warum empfindest du so? Warum hast du so und nicht anders reagiert?

Ich habe für mich vorläufig folgende Erklärung gefunden:

Ich selbst bin einfach noch nicht durch durch meinen Schmerz. Ganz viel Chaos im Kopf, noch mehr im Herz. Kaum Kraft den Alltag zu überstehen, täglich neue kleine oder große Rückschläge. Das Forum hier? Ein Versuch zu helfen, auch, aber primär, der Versuch, geholfen zu bekommen.

Oft habe ich schon formuliert, dass dieses Forum mein „Therapeut“ ist. Gestern nach deinem Beitrag ernsthafte Zweifel. Jürgen (JJJ) hat mich verhöhnt in einer Antwort, hat meine Äußerung in Frage gestellt, helfen zu wollen. Für ihn kam es nicht so an. Für Gerhard auch nicht. Und ich war verletzt darüber, konnte es nicht verstehen. Vor allem konnte ich nicht verstehen, warum meine Worte nicht ankamen oder falsch verstanden wurden. Du hast Recht, es mag nun so rüberkommen, als sei Gerhard nur lästig. Das stimmt aber nicht. Er ist anders in seinem Umgang mit seinem Schmerz und mit diesem „anders“ kann ich nicht umgehen, ich bin ganz eindeutig überfordert. Ich bin kein Therapeut, habe nie gelernt, wie man mit den unterschiedlichen Gefühlen unterschiedlicher Menschen umgeht. Mich ganz und gar auch darauf einzulassen, würde bedeuten, noch mehr Kraft zu investieren, die ich nicht habe, vielleicht sogar noch mal in die falsche Richtung, noch mal absolut erfolglos.

Nach deinem Beitrag habe ich viel nachgedacht und für mich begriffen: Ich kann nicht helfen. Jedenfalls nicht jenen, bei denen ich es nicht mehr nachvollziehen kann. Nicht die Trauer an sich, sondern den Umgang mit ihr. Und warum? Weil ich an meine Grenzen stoße, wie gesagt, ich bin keine Therapeutin, es wird seinen Grund haben, weshalb man für diesen Beruf eine jahrelange Ausbildung braucht. Ich kann Gedankengänge anderer nur bis zu einem bestimmten Punkt nachvollziehen. Dort, wo ich mich wiedererkenne, denke ich, gelingt es besser, weiß ich in etwa, was helfen könnte, was mir geholfen hat. Meine persönliche Grenze ist erreicht. Ich werde meine Konsequenz ziehen, nicht im Bösen, sondern im Erkennen der eigenen Belastbarkeit, der eigenen Fähigkeit. Bei jenen, die einen anderen Weg gehen, die eine andere Sprache sprechen als ich, bei denen ich nicht ankommen kann, die mich nicht erreichen, hoffe ich, sind andere da, die, die eben den „anderen Schmerz, den anderen Umgang mit der Trauer“ verstehen.

Was mir ehrlich leid tut, ist die Geschichte mit der Entschuldigung. Es stimmt, es war unfair. Warum? Auch ich bin Trauernde, auch ich stehe irgendwie jeden Tag erneut ein wenig am Anfang. Ich bin Dünnhäutig und habe nicht nachgedacht. Habe geschmollt und wollte nicht. Ich war bockig. „Auch ich darf das“. Ok, aber als erwachsener Mensch, als mitfühlender Mensch, hätte es so nicht geschehen sollen. Das tut mir leid.

Ich sage es noch mal, auch und speziell an Gerhard gerichtet. Ich kann im Augenblick damit nicht umgehen. Aber ich muss es auch nicht. Du hast viele, die dich verstehen können. Ich kann es nicht. Es ist nicht persönlich gemeint. Es ist eher Selbstschutz. Vielleicht bin ich auch ganz einfach feige. Auch das darf ich jetzt.

An Jutta geht nun jedoch auch noch eine Bitte: Lass den Thread offen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, ihn zu umgehen. Ich denke, Gerhard wird auch lernen, mit Kritik auf seine Beiträge leben zu lernen, oder – was noch besser wäre – sie zu hinterfragen und AUS ihnen zu lernen. Zensur derart, dass man ihm hier die Möglichkeit nimmt, sein Herz auszuschütten, halte ich nicht für den richtigen Weg. Ich denke auch nach wie vor: Dieses Forum sollte Platz für jede Art der Trauer haben, sonst haben hier nur diejenigen die Chance Hilfe zu finden, die ähnlich gestrickt sind. Ich hoffe von Herzen, dass Gerhard jeden Tag ein wenig mehr von seinen Selbstmordgedanken abrückt, erkennt, dass es schwer zu ertragen ist für ungeschulte Menschen wir wir, für verwundete Menschen, wie wir, damit umzugehen.

Ich werde mich noch nicht aus dem Forum verabschieden, hoffe, dass auch Susanne sich nicht endgültig zurückzieht, sondern es ein Wiedersehen geben wird, dass es wieder heißt „Und nun?“ und sie uns erzählt, in welcher Art die Gefühle und Gedanken neu sortiert sind, vielleicht die Richtung geändert wurde und neue Erfahrungen gesammelt wurden und sie uns wieder teilhaben lässt.

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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