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Alt 30.03.2006, 22:26
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Liebe Saphir,

nun antworte ich Dir hier. In letzter Zeit haben wir uns per E-mail ausgetauscht, wir werden ja sehen ob eine Rückkehr ins Forum möglich ist, denn „so“ frei und offen kann man sich hier halt doch nicht schreiben.

Ehrlich gesagt hab ich mir auch gedacht, daß dieser thread nicht so abrupt enden sollte. Anscheinend nicht nur ich, denn ich bin bereits gefragt worden, ob wir Dich nun im Stich lassen.

Liebe Saphir, Du fühlst Dich „noch“ nicht als Hinterbliebene. Das glaub ich Dir. Ich glaube das geht auch nicht, daß man eben noch eine Tochter war, eine Mama hatte, und von einem nicht mehr erfolgten Atemzug an, das alles nicht mehr ist.

Ich hab ganz lang gebraucht bis ich so Sätze sagen konnte, wie: meine Mama ist tot, meine Mama ist gestorben, meine Mama lebt nicht mehr. Kaum hatten solche Worte meinen Mund verlassen, erschrak ich über mich. Wie konnte ich so etwas Ungehöriges, Unerhörtes, so etwas Schreckliches überhaupt sagen?

Es gibt Leute die sagen, schreiben, die Toten befänden sich in eine Zeitlang in einem Zwischenreich. Ich weiß nicht, ob und wie das ist und noch weniger weiß ich wie jemand das mit Sicherheit behaupten kann. Im Prinzip halte ich vieles für möglich und suche mir das aus, was mir am besten gefällt, womit ich am besten leben kann.

Als Mama ihr Leben aushauchte, und bei Papa war es dann auch so, hatte ich augenblicklich das Gefühl, sie sind weg.

Hingegen hatte ich das Gefühl lange, wirklich lange, in einem Zwischenreich zu sein. Es gab Momente, in denen fühlte ich mich fast euphorisch, ich empfand Glück, daß das Leid, das Entsetzen ein Ende hatte, daß sie in Sicherheit sind. Ich dachte, das geht schon, das pack ich schon, der Gedanke war noch nicht zu Ende und ich hatte das Gefühl ich geh in die Knie vor Schmerz und Sehnsucht.

Ich hatte unglaublich intensive „Erlebnisse“, nahe, zärtliche Begegnungen, die mir kurz Trost brachten um mir gleich darauf das Gefühl zu geben, ich halt das nicht aus.

Es gab Träume in denen viele Gefahren zu bestehen waren und es gab andere in denen ich liebevoll umfangen wurde.

Mit einem Wort, liebe Saphir, es ist wahrhaftig schwer.

So wirklich kann man auch keinem raten. Ein paar Dinge kann man vielleicht sagen. Ich find es gut wenn man sich austauschen kann. Siehst Du, meine Mama war schon mehr als fünf Jahre tot als ich vor einem Jahr hier zu lesen und schreiben begann. Zuerst hab ich nur gelesen. Dabei hab ich mir selbst leid getan, daß ich diese Möglichkeit nicht hatte, als Mama starb. Ich hab dann einen thread eröffnet und lange mit Alina geschrieben, später kam auch Isa dazu, eine Zeitlang waren mehrere dabei. Das war für mich sehr wichtig, es ist ja immer ein Geben und Nehmen, aber ich habe das Gefühl dieser Austausch hat meine Trauer „abgerundet“.

Ich hatte mir nach Mamas Tod viele Bücher gekauft. Ein Rat war, man solle im ersten Jahr keine großen Entscheidungen treffen, keine großen Veränderungen machen. Das hat mir eingeleuchtet, daran hab ich mich gehalten. Für jeden wird das nicht stimmig sein, für mich war es das.

Deiner Mama und Dir steht, wie soll ich das sagen, Ihr habt das Ausmaß an Trauer, das sich aus Eurer Beziehung ergibt. Und das will und soll durchlebt werden. Manchmal fühlt man sich dabei wie ein wehrloser Ball, wie eine einzige offene Wunde, aber nicht immer. Man kann eine Trauer auch gestalten. Und man kann zu anderen sagen, bitte hilf mir dabei.

Wir sind da. Aber das weißt Du ja.

Ich umarme Dich
Deine Briele
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