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Alt 25.06.2006, 12:23
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sywal sywal ist offline
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Standard AW: unverständlicher Tod meiner Mutti

Lieber Kai!
Es tut mir sehr leid, was Du in den letzten Tagen erlebt hast. Das rasche "Heimgehen" Deiner Mutti muß wohl erst einmal begriffen und verarbeitet werden. Andererseits kann wohl niemand sagen wie lange sie den Tumor schon hatte. Und so ist es vielleicht für Mutti positiv, daß sie nicht sehr lange leiden mußte.

Ich denke, es macht für Dich wenig Sinn, jetzt einen Schuldigen zu suchen. Du hast sicher die Hilfe geleistet, die Du geben konntest. Wenn Deine Mutti in ein anderes KH verlegt werden wollte - Du dies nicht organisieren konntest, so ist dies, bei dem kurzen KH-Aufenthalt oder der kurzen Zeit, nachdem sie den Wunsch äusserte, wahrscheinlich nicht die Ursache der traurigen Realität.
Bei den Wirkstoffen die später in 1/2 Dosierung gegeben wurden ist es so, daß mehrheitlich sogenannte "Standardtherapien" (= Wirkstoff und Dosierung) angewendet werden, daß sind jene Wirkstoffe/Dosierungen die die größten Erfolgchancen bringen. Und, wie Du selbst schreibst, haben sich die Metas verbessert. Daß der Physiotherapeut "nur 2-3 Mal die Woche kam", ja das werden wohl die allgemeinen Einsparungsmaßnahmen sein. Wäre er jeden Tag gekommen, hätte dies wahrscheinlich auf die Grunderkrankung wenig Einfluß gehabt.

Ich besuchte vor vielen Jahren meinen Schwiegervater welcher an Lungenkrebs erkrankt war, im KH. Es war dies mein 1. Besuch, obwohl er dort seit Wochen lag. Hatte zuvor einen kleinen Streit mit der Familie, denn die Besuche sollten nicht spontan sondern organisiert ablaufen.
Braun gebrannt lag er da - im Einzel(nicht 1. Klasse!)Zimmer, fit, nach einer Zigarrette verlangend. War für mich fürchterlich zu sehen, wie er die Zig., zwischen dem "Sauerstoffziehen", "genoß". 2 Stunden später war er tot. Für die Familie war ich schuld, ich aber würde mir Vorwürfe machen, hätte ich ihm den Glimmstängel nicht gegeben. Was ich damit sagen will? Was war jetzt richtig? Wobei, mit der Verlegung in ein anderes KH kein direkter Vergleich möglich ist. Aber, wenn ich selbst nicht rauchen würde, hätte ich vielleicht, als überzeugte Nichtraucherin gemeint, daß er nicht rauchen darf!

Um eine genaue Todesursache feststellen zu können, bedarf es einer Obduktion, selbst bei Verkehrsunfällen muß ja nicht immer der Unfall, es kann z.B. ein Herzinfarkt, die Ursache sein. Ich erlebe es hier im Forum wie schwer es ist Hinterbliebenen zu antworten, will man doch die richtigen Worte finden. Wie schwierig ist dies wohl für das KH-Personal steht ein Angehöriger persönlich vor ihnen. Wie oft hat das Personal wohl schon solch tragische Schicksale "hinnehmen" müssen, denn auch für ein KH-Personal ist dies eine Niederlage (so lange sie sich nicht an diese fürchterlichen Gegebenheiten gewöhnt haben). Das sind ja auch "nur" Menschen und wenn sie sich nicht abgrenzen, gehen sie vor die Hunde.

Du kannst mir glauben, daß ich wirklich die letzte bin, die unangebrachte Therapien oder vernachlässigende, inhumane Mediziner bzw. Personal in Schutz nimmt. Bei all meinen Kämpfen gegen inhumanes Handeln habe ich gelernt zu objektivieren, meinen persönlichen Schmerz dabei hintanzustellen, da es ganz einfach Verläufe im Leben gibt, die man schmerzlich zur Kenntnis nehmen muß.

Lieber Kai. Es ist schlimm der letzte seiner Familie zu sein. Es gibt aber auch Familien, da paßt eigentlich nur mehr das Wort. Du bist nicht allein! Schau vielleicht einmal ins Forum für Angehörige, wenn Du auf Grund Deiner Depressionen mal nicht auf die Straße kannst, aber igle Dich nicht ein! Du wirst sehen, soferne Du Hilfe annehmen kannst oder willst, daß Du genau diese bekommst. Im Forum, auf der Straße, am Arbeitsplatz - wo auch immer. Wir Menschen hier auf der Erde sind, trotz allem eine verbundene Gemeinschaft und irgendwo ist ein Mensch der Dir zur Seite stehen wird, wenn Du ihn wirklich brauchst.

Viel Kraft für Deinen weiteren Lebensweg
Sywal
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