Thema: Stammtisch
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Alt 04.07.2006, 19:19
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Der Abiturball

Die Tage waren hektisch, niemand kam wirklich zur Ruhe. Nach der Party, begann nahtlos das Kofferpacken, Reiseunterlagen zusammensuchen u.s.w. Und doch spürten wir alle, dass Traurigkeit in der Luft hing.

Begonnen hatte es ja bereits beim Fest, himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, das alte Spiel seit so vielen Monaten. Claus fehlt, immer und überall. Aber in solchen Momenten besonders, und in solchen Momenten besonders seiner Tochter.

Saski war irgendwie immer das „Kind vom Papa“ – die Mütter unter uns werden wissen, was ich damit meine. Die Chemie hat gestimmt. Während Saskia und ich uns fetzen können ohne Ende, vermutlich weil wir ziemlich gleiche Charaktere sind, lag zwischen Claus und ihr eine große Harmonie – So ähnlich ist es wohl als Ausgleich zwischen Micki und mir.

Seit Claus Tod hatte ich immer unterschwellig das Gefühl, dass Saskia vieles für ihn tat. Sie widmete ihm Lieder beim Benefizkonzert und ich glaube, sie lernte irgendwie auch für ihn, sie wollte, dass er stolz auf sie sein konnte. Bei ihr blieb der Absturz, der Leistung verhinderte aus, sie kehrte es ins Gegenteil. So trug sie dafür auch symbolisch seinen Ehering während der Prüfung.

Und so sprang das Trauertier sie bei der Abschiedsfeier extrem an, denn sie hätte besonders ihn gerne umarmt an diesem Abend.

Mir lag besonders die Frage im Magen, mit wem ich diesen Abend der Abiturfeier verbringen würde. Müsste ich alleine, amputiert zu diesem Ereignis gehen? Was war richtig? Was war falsch? Auch hier ergriff Saskia die Initiative und fragte ihre Tante, Claus Schwester: Würdest Du mit zum Abiball kommen? Stellvertretend sozusagen für meinen Papa? Ja, mein Kind, das war richtig!

Aber nicht nur meine Schwägerin – die mich im übrigen nach dem Tod ihres Bruders zu ihrer Schwester befördert hat - sondern auch alle Geschwister wollten diesen Abend mit Saskia verbringen. So waren wir dann irgendwie wieder „komplett“ zumindest von der Zahl der Familienangehörigen, zu 6. und ich fühlte mich geborgen und nicht wie mit zwei Köpfen.

Dennoch blieb es nicht aus, dass die Gefühle aufbrachen. In der Kirche, die ganze festliche Gemeinschaft, die Knaben, die ihre Schlabberhosen gegen schicke Anzüge tauschten, die Mädels in Abendkleidern und die Ansprachen der Lehrer, die unseren Kindern zur bestandenen Prüfung gratulierten.

Da war dann das Tier, böse grinsend, nicht zu verscheuchen. Wo war die Zeit geblieben? Was ist mit unserer Familie passiert und ja ich gestehe das WARUM.

Erschwerend kam hinzu, dass die Pfarrerin, die an Claus Beerdigung sprach, für den evangelischen Teil der Schüler predigte und ihre Worte lösten den Kloß in meinem Hals. Denn sie sprach die besondere Leistung der Schüler an, die trotz eines Schicksalsschlages gerade in der wichtigen letzten Phase ihrer Schulzeit ihr Abitur erfolgreich bestanden. Ja, unsere Tochter hat sich nicht beirren lassen, ist ihren Weg weitergegangen, hat ihr Ziel verfolgt, für sich und ihren Papa. „the answer my friend, is blowing in the wind“ Wollten sie mich quälen? Wenn ich bis dahin noch tapfer versuchte, alles unter Kontrolle zu haben, kam spätestens da der Augenblick, an dem ich mich fühlte als hätte jemand in der Badewanne den Stöpsel gezogen. Nichts ging mehr, ich saß nur noch da und heulte. Und es war mir sogar egal, was die Leute denken würden. Sollten sie denken was sie wollen, ich heulte, na und? Ich darf das jetzt. Und ich habe guten Grund dazu.

Manche Begriffe versteht man irgendwie tatsächlich erst im Laufe der Zeit. Gemischte Gefühle z.B. ja, so war es wohl. Trauer ohne Ende und zeitgleich unglaublicher Mutterstolz auf unsere Tochter.

Der Gottesdienst war endlos lange, besonders im Hinblick darauf, dass wir alle doch gerne das Deutschlandspiel verfolgen wollten. Und so waren wir dann doch sehr froh, als endlich die Zeugnisübergabe stattfand und die Schüler namentlich aufgerufen, ihnen gratuliert und ihre Reifezeugnisse übergeben wurden.




Danach hatten wir nun erst einmal Gelegenheit nach Hause zu fahren, ja natürlich auch um Fußball zu sehen, bis gegen 20.00 Uhr die Feier mit Buffet und Musik beginnen sollte.

Saskia blieb bei ihren Schulkameraden, da sie als Mitglied der Abiband bereits vorzeitig in der Festhalle sein musste. So fuhren meine verbleibende Kinder und ich gemeinsam mit meiner Schwägerin zu ihr nach Hause, um dem Fußballkrimi beizuwohnen.

Das ist in sofern immer mehr als amüsant, als man meinen Schwager einfach einmal erlebt haben muss, wenn er mit Deutschland fiebert. In Worte kann man das nicht fassen, ich vermute jedoch, dass er ein gesundes Herz haben muss, sonst könnte er das nicht überstehen, so wie er sich immer aufregt…

Ich selbst klinkte mich zwischendurch aus, um nach Hause zu gehen und ein wenig alleine zu sein. Ich wusste, dass das Trauertier meinem Freund in der Ferne auch gefährlich nah gekommen war an diesem Tag, auch wenn er es bis heute nicht zugegeben hat , was mir nun wiederum auch nicht in den Kleidern stecken blieb. Im Zeitalter des Telefons kann man jedoch hin und wieder auch der Bestie einen Strick drehen und so machte ich mich dann nach einer größeren Auszeit wieder auf den Weg, um dann nach gewonnenen Spiel zur Feier zu fahren.

Die Fahrt dorthin war auch wieder ein Erlebnis. Hat man Deutschland jemals in solcher Partylaune erlebt? Ich nicht. Es war ein Gehupe und ein Gewinke, irgendwie hob es die Stimmung man kam gar nicht drum herum.

Im Gegensatz zu Mickis Abifeier muss ich sagen, dass das Gremium wirklich alles top organisiert hatte. Massen von Menschen – in dem Jahrgang waren 100 Abiturienten mit Familie, war das Buffet nicht nur sehr schmackhaft, sondern auch mehr als ausreichend für alle.

Auch an diesem Abend sang Saskia wieder die Ballade von Christina Aquillera „I’m ok.“ die sie bereits am Benefizkonzert für das Hospiz für ihren Papa Sang und im Saal konnte man eine Stecknadel fallen hören. Gemischte Gefühle, wohl wahr!

Obwohl meine geliebten „Plagen“ noch alle zu Hause sind, sind die Möglichkeiten alle auf ein Foto zu bekommen aufgrund ständiger Termine der Jungen recht begrenzt. Aber diesmal hat es dann mal wieder geklappt.
Unsere Familie, komplett, bis auf die Lücke, die nicht schließt






Meine beiden Mädels und ich:



Besonders gerührt hat mich an diesem Abend, dass mir zwei meiner Mädels hier aus dem Forum eine e-mail geschrieben hatten. Es war einsam und still im Haus und diese Worte, die mich erreicht haben waren wie ein : Wir haben auf Dich gewartet – Gruß. Es hat mir unglaublich gut getan. Danke meine liebe Bruni-Blue und meine liebe Briele !

Auch diesen Tag haben wir überstanden, gemeinsam, und auch an diesem Abend leuchtete unser Stern unvergessen am Himmel, strahlte, als wollte er sagen: Saski ich bin stolz auf Dich!

Ja Saski, wir sind stolz auf Dich:

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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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