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Alt 10.08.2006, 06:26
Natascha23 Natascha23 ist offline
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Standard AW: Kann mir jemand bitte, bitte helfen?Nexavar

Hallo.
Ich danke euch allen für die netten Worte...und dafür, dass ihr einfach mit mir fühlt.
Ich konnte nicht früher schreiben. Und auch jetzt fällt es mir noch sehr schwer. Ich habe in dieses Forum geschrieben, weil ich Angst hatte. Ihr alle habt mir diese Angst genommen. Ich war mir sicher, ganz sicher, dass mein Papa es schaffen wird. Ich habe lange mit mir gehadert. Mein Papa hat nach jedem Besuch meine Hand genommen, mir gesagt, dass er mich lieb hat und immer wieder gesagt "versprochen ist versprochen" - dass er kämpft und ich mein Studium immer fertig machen werde. Ich weiß jetzt, er hat sein Versprechen gehalten. Ich wolllte, dass er für das kämpft, was für ihn das Beste ist. Ich war bis vergangenen Freitag davon überzeugt, dass dies bedeutet, dass es ihm besser gehen wird und er noch lange lebt. Mit mir an meiner Hochzeit Walzer tanzen wird, nach meinem Studium mit mir feiert, meine Kinder später auf dem Arm halten wird...Ich habe keinen Gedanken daran zu gelassen, dass er es nicht schaffen könnte.
Mein einziger Trost ist, dass ich weiß, dass er immer bei mir ist. Ich kann ihn nicht sehen und er kann nicht mit mir reden, aber er ist immer da.
Ich stehe morgens auf und rede mit ihm, ich laufe mit dem Hund und rede mit ihm...Es ist etwas sehr ungewisses und trotzdem spüre ich, dass er mich hört.
Vergangenen Donnerstag war alles normal. Ich hab mit meinem Freund gestritten, was wir gerne tun und wir haben den ganzen Abend damit verbracht uns zu sagen, was wir besser machen werden.
Ich bin ins Bett und um 4.00 Uhr nachts habe ich gehört, dass das Telefon klingelt. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Meine Schwester hat gesagt, dass KKH hätte angerufen, wir sollen alle schnell kommen, mit Papa würde es ganz arg schlecht stehen.
Ich hab noch gedacht, das wird bestimmt. Vielleicht hört sich das alles nur so schlimm an? Ich habe im KKH angerufen und wusste, dass ich mich täuschte. Es war schlimm. Ich bin mit meinem Freund losgefahren. Wir fahren 1 1/2 Stunden nach Hause. Wir sind ca. 1 Stunde gefahren. Ich habe mein Handy in der Hand gehalten und gebetet, dass es nicht klingeln wird. Ich habe geweint und gehofft, dass er es schaffen wird. 10 min bevor wir da waren, hat mein Handy geklingelt und all meine Hoffnung war vernichtet. Mein Papa ist ganz friedlich eingeschlafen. Der Pfarrer hat noch zu ihm gesagt, dass alle da wären und ich auch gleich kommen würde. Paps ist noch eine Träne hinuntergelaufen, dann ist er eingeschlafen und hat die Augen geschlossen.
Ich versteh bis heute noch nicht, warum ich nicht da war. Warum habe ich es nicht früher gespürt, sondern meinen Abend mit blöden Streitdiskussionen verbracht? Warum habe ich meiner Familie nicht geglaubt, als sie mir immer wieder vorsichtig sagen wollten, dass mein Papa zu schwer krank ist?
Ich habe die ganze vergangene Woche ein Bild für ihn gemalt. Eine Sonnenblume, die ihm immer zu lächeln und Trost geben sollte. Ich habe es Donnerstags nachts sogar noch mitgenommen. Ich stand vor seinem KKH-Zimmer, habe das Bild fallen lassen und nur geschrien. Jetzt am Dienstag, gab es wieder sehr viele Sonnenblumen...auf seinem Grab.
Ich möchte niemandem die Hoffnung zerstören. Ich glaube weiterhin an Nexavar und daran, dass ein positives Denken sehr viel bewirkt. Dieses Forum hier ist so toll. Es ist nur einfach, dass es bei meinem Papa an der Zeit war.
Komisch...man sagt und schreibt so viele vernünftige Dinge, hat sie aber nicht verinnerlicht. Es ist nun 6 Tage her und es fühlt sich an, als wäre ein Teil von mir mitgestorben...
Vor seinem Tod hat er meine Mutter immer gedrängt noch das Konto auf sie umschreiben zu lassen etc. Wir haben immer gesagt, also Papa du kommst doch bald heim. Jetzt konzentrier dich auf dich, alles andere regeln wir später.
Er hat das nicht akzeptiert. Zwei Tage vor seinem Tod hat er noch Unterlagen unterschrieben, die ihm sehr am Herzen lagen.
Wir haben alles geregelt, was er sich wünschte. Meine Nichte geht auf die Realschule, meine Klausuren sind soweit gut gelaufen, wir haben versprochen uns um Mama zu kümmern,...viele viele Kleinigkeiten.
Als alles geregelt war, konnte er gehen. 2 Stunden vor seinem Tod ist er noch auf die Toilette im Gang, weil er die auf den Zimmern nicht so toll fand...
Es passt alles zusammen. Ich bin so unendlich froh über die Zeit, die wir hatten. Es waren sehr intensive Momente. Ich werde mich nie fragen, ob er stolz auf mich war oder micht geliebt hat. Da bin ich mir sicher.
Gerade weil ich weiß, dass er so ein klasse Mensch und Papa war, kann ich nicht loslassen. - Noch nicht.
Ich bin froh, dass mit Nexavar alles geklappt hat. Er hat diese Möglichkeit gehabt. Aber ich denke, er hat den Krebs schon lange in sich gehabt. Vielleicht hat er diese Jahre, um die wir so verbissse gekämpft haben, schon in den vergangen Jahren gehabt? Es waren schöne und unbeschwerte JAhre. Auch hierfür bin ich dankbar.
Mein Papa hat immer sehr gerne Musik gehört. Ich habe für seine Trauerfeier ein Lied aus seinen CDs rausgesucht. "Ave Maria". Vieles wird mich immer an ihn erinnern und mir bewusst machen, dass ich nicht mehr sehe. Ich will nicht sagen "nie mehr". - Was auch immer auf den Tod folgt. Irgendwann, in vielen Jahren, werde ich meinen Papa wieder sehen und ihm viele Dinge erzählen und er mir.
Gestern Abend habe ich zum ersten Mal meine Mutter allein gelassen und bin für 2 Tage zurüch nach Pforzheim. Es tut sehr weh. Aber ich glaube, die Trauer muss jeder selbst für sich bearbeiten. Man kann einander helfen, den Alltag zu überstehen, aber nicht damit fertig zu werden, es zu akzeptieren.
Heute vormittag wird bei uns zu Hause das Pflegebett und der Sauerstoff abgeholt...
Ich glaube, es wird noch viele Tränen und viel Schmerz geben, bis ich eines Tages mit einem Lächeln sagen kann "ich hatte einen wundervollen schlauen, hilfsbereiten, lieben, einfühlsamen, besorgten Vater". - Ohne, dass es mein Herz zusammenkrampft und man einen Kloß im Hals hat. - ein Gefühl, dass ich noch nie verspürte.
Ich weiß auch nicht, wann ich wieder an der Stelle vorbei fahren kann, an der mein Handy klingelte und meine Schwester sagte "Papa ist gestorben" - ohne dass ich denke, dass dieser Schmerz mich wahnsinnig macht. Ich fange an zu weinen und denke, ich kann nie mehr aufhören. Wie soll ich denn irgendwann darüber wegkommen, wenn er mir schon am ersten Tag so sehr gefehlt hat?

Nächste Woche ist noch die Urnenbeisetzung. Selbst diesen letzten Wunsch hat er geäußert. Obwohl ich immer sagte, dass ich so etwas nicht hören mag, weil er bald heimkommt.
Es ist schwer. Am Dienstag war die Trauerfeier und nun kommt noch die Bestattung. Es ist, als ob man nicht loslassen kann. Als ob es nie aufhören wird, so schlimm zu sein.
Irgendwann wird es aufhören. Der Pfarrer sagte, es ist, als ob jemand einem ein Messer in den Bauch rammt. Irgendwann nach langer Zeit verheilt die Wunde. Doch es bleibt eine Narbe, die uns nie vergessen lassen wird.

Es war nicht mein "richtiger Vater". Aber als mein "Erzeuger" gestorben ist (den ich nicht kannte), habe ich vor 5 Jahren kurz geweint, weil ich dachte, okay, du wirst ihn nie kennenlernen. Aber es war nicht wichtig. Denn ich hatte einen Vater. Mein Papa. Der alles für mich und meine Familie getan hätte. Ich hab ihn schon immer "Papa" genannt. Und das ist und bleibt er auch.
Auf der Trauerfeier kam eine ganz arg liebe Frau zu mir und sagte, "oh ja, das sieht man, ganz der Papa" - ich habe gelächelt. Es war das schönste Kompliment, dass ich je in meinem Leben erhalten habe.

Jeden Tag, bei allem was ich tun werden, werde ich an ihn denken. Ich werden mit ihm reden und er wird immer ein Teil von mir sein.
Der Pfarrer sagte auch:"Der Verstand weiß, dass es für meinen Papa besser war. Aber das Herz kann das nicht glauben und nicht loslassen. Bis beide sich gefunden haben und im Einklang sind ist es ein langer und schmerzvoller Weg".
Mein Verstand weiß, dass es ihm gut geht. Mein Herz weiß, dass es trotzdem uns allen mit diesem Weg nicht gut geht. Aber irgendwann....irgendwann werden beide zusammenarbeiten.

Natascha
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