Liebste Mama,
eben war ich an deinem Grab und habe mich dabei erwischt, wie ich wieder mit dir geredet habe
Oft kommt Papa mit und da verhalte ich mich dann ganz anders. Aber wenn ich so allein bei dir bin, suche ich oft deinen Rat. Auf dem Weg habe ich viele ältere Frauen gesehen und ich dachte mir, dass ich nie wissen werde, wie du aussiehst, wenn du 60, 70 oder 80 Jahre geworden wärst. Es ist ungerecht, denn du hast oft kein einfaches Leben gehabt und das macht mich immer extrem traurig. Du bist der einzigste Mensch, der mich nie verletzt und mich immer verstanden hat.
Letzte Nacht habe ich wieder von dir geträumt. Das kommt inzwischen sehr häufig vor. Du bist in den Träumen zwar meistens krank, aber du lachst immer und bist genau so positiv wie du es früher schon warst, auch während der Krankheit. Ich bewundere deine Stärke und Tapferkeit, die du bis zuletzt hattest. Du hast nie aufgegeben! Vermutlich hätte ich das nicht geschafft.
Seit einer Woche bin ich ziemlich down. Bin oft sehr traurig, weine viel, habe Wut auf andere undundund. In der Trauergruppe habe ich das 1. Mal vor anderen geweint. Das war mir etwas unangenehm, weil ich eigentlich gelernt habe, mich zu beherrschen. Aber inzwischen ist mir das alles ziemlich egal und es muss einfach raus. Ich will nicht mehr die Große und Starke spielen.
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte ganz nah bei dir sein. Ich habe Angst, deine Stimme und alles andere zu vergessen...
In Liebe
Deine Gaby