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Guten Morgen,

bin mal wieder aus dem Bett gefallen, hab im Moment komische Gewohnheiten.

Nein, Andrea, ich habe es nicht vergessen und ich habe Dir auch geglaubt. Aber weißt Du, jetzt ist Deine Tochter an genau diesem Wochenende wieder heimgekommen. Glaub mir, nichts, nichts auf der Welt hätte mich dazu gebracht bei Dir anzurufen. Du hattest soviel Vorfreude in Dir und so musste es sein.

Das andere Leben habe ich nicht vergessen. Es war mir immer sehr wichtig, an den Wochenende ein paar Stunden nur mit Jürgen zu verbringen, ohne nebenbei noch irgendetwas zu erledigen. Während der Arbeitswoche haben wir vielleicht nicht immer so intensiv geredet, das wurde am Wochenende nachgeholt, fing meist schon Freitags an. Und so war es einfach wichtig, daß Du, liebe Andrea, an diesem Wochenende ausschließlich mit Deiner Familie beschäftigt warst.

Ich hatte Raum zum sortieren, habe damit begonnen ohne daß ich es merkte. Hab in meinem alten Leben gekramt, Briefe aus dem letzten Jahr gelesen. Vieles war mir entfallen und das ist jetzt alles wieder da. In Bilder gekramt. Aber es ist in Ordnung so. Dann die ewig langen Nächte, kaum Schlaf gefunden. Vermutlich weil ich ganz tief in mir gegen diesen Tag grummle? Vermutlich.

Trotzdem bringe ich auch diesen Tag rum, mit lachendem Gesicht – ganz sicher. Ja, dieses Jahr war viel los. Und heute nun der 80. Geburtstag meiner Silberlocke und dann bitte ein bißchen Pause, bevor der nächste auf die Idee kommt zu heiraten. Wie war das im anderen Leben. Oh ja, schön wars. Mein Jürgen. Ich hab noch viele seiner Worte im Ohr, sein Gesicht dazu, es war vor 5 Jahren, am 75. Die selben Klamotten anziehen wie damals? Hab ich sogar noch. Nein, die Welt dreht sich weiter und ich dreh mich mit. Ich werde wieder zu schimpfen anfangen, weil ich keine passende Strumpfhose finde – und Du darfst ruhig lachen, werde die verrückten Schuhe anziehen und losstöckeln. Wird nicht sehr viel anders ablaufen als Angelikas Geburtstag.

Und vermutlich habe ich heute Nacht einen Weg gefunden, damit mich meine Mutter versteht und mir nie wieder entgegen schleudert: „Du hast dich sooo verändert“ – warum klingt das immer negativ? Nein sicher nicht heute, aber in nächster Zeit werde ich nochmal Anlauf nehmen. Ohne mich zu verbiegen und ohne sie zu verbiegen. Nein, sie wird sich nicht verändern und ich habe mich verändert, aber vielleicht doch nicht soooo negativ. Auch das musste so sein. Eigentlich hab ich sie nie gefragt, wie ich mich verändert habe, habe nie gefragt, womit sie sich so schwer tut. Ja, war wohl zu wütend. Ok, dann probier ich es einfach nochmal.

Liebe Petra, ich lese Deine Worte und ja, Du bist müde. Kann eigentlich auch nicht anders sein. Der Tag ist vorbei, andere besondere Tage kommen immer wieder. Vom Bauchgefühl her würde ich meinen, daß Dir heute eine Radtour ganz gut gefallen könnte. Abstrampeln, gleichmäßige Bewegung, Wind spüren, vielleicht ein bißchen Frust rausbrüllen? Bei mir regnet es, grau und duster. Vielleicht ist es bei Dir besser?

Verschwörerinnen? Wir? Oh nein – nur der Wille Dir ein kleines Lachen abzuluchsen.

Ich bügle jetzt und dann schmeiß ich mich in die Klamotten – bin noch im Bademantel – keine Frage – ist doch Sonntag heute.

Bruni