Thema: Stammtisch
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Alt 20.11.2006, 08:46
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Nicht zu Ende gefühlte Gefühle... nicht sortiert, nicht wissen, wo sie eigentlich hingehören. Das war wohl nicht immer so. Eigentlich wusste ich immer genau, was ich fühle: Jetzt bin ich sauer, jetzt bin ich traurig, jetzt bin ich glücklich. Seit der Diagnose, die unser altes Leben zerstört hat, sind sie nicht mehr eindeutig, meine Gefühle. Ich bin nicht mehr einfach nur sauer, ich bin wütend, nicht nur aus der betreffenden Situation heraus, nein, es vermischt sich mit der Wut, die ich seit Februar 2004 in mir trage. Ich bin nicht mehr einfach nur traurig, meistens bin ich verzweifelt, darüber, was passiert ist, was ich noch immer nicht begreifen kann.

Aber das schlimmste ist die Sache mit dem Glücklichsein. Kein eindeutiges Gefühl mehr. Nicht mehr. Vor Februar 2004 war es das. Jetzt liegt da im Magen irgendwo ein Zentner schwerer Stein, immer, besonders, wenn ich glücklich bin.

Mein Wochenende: Es war toll, es war nahezu perfekt. Aber der Stein im Magen, er hat mich begleitet. Bruni, haben dir die Ohren geklingelt? Bei der deutsch-griechischen Vereinigung waren wir, getanzt haben wir, beobachtet, wie andere tanzen, lachen. Erkenntnis: Ich verstehe noch immer kein Griechisch. Aber egal, ich werde weiterhin meine Kurse besuchen. Meine Beschäftigung als „ich“, wobei ich noch immer nicht weiß, was „ich“ eigentlich bedeutet.

Gestern den Nachmittag in der Küche verbracht. Plätzchen gebacken mit meinem Jüngsten und einem Kumpel. Ja, ich war glücklich, war das nicht „heile Welt“ in meiner Küche? Für jeden, der durch unser Küchenfenster gesehen hätte, hätte es wohl den Anschein gehabt. Heile Welt – und die Steine im Magen.

Beerdigungen: Ich habe es schon immer genau so empfunden Petra. Genau DAS wollte ich nicht. Wir waren unter uns, alleine, ohne Pflichtbesuch am Grab, ohne Kaffeekranz für die Nachbarschaft. Und es wird wenige Beerdigungen geben, an denen ich noch teilnehmen werde.

Deine Schwiegermutter. Natürlich ist sie es. Keine Frage. Und es hat mich gefreut zu lesen, dass sie es so empfindet wie es ist. Du bist Stollis Frau!

Ungeduld? Es sollte nicht sein, klar, aber... Aufstampfen, es soll nicht sein wie es ist, es soll anders sein. Es soll sein wie es immer war. Pläne? Man sollte sie verdammt noch mal auch umsetzen dürfen. Wenigstens das, oder? Du darfst aufstampfen Petra, es sollte tatsächlich anders sein, als es ist. Aber sie hat sich ihren Tee gemacht, alleine, sie hat getrunken und du hast es bemerkt und es hat dich gefreut. Normalität sollte es sein, eigentlich, ist es aber nicht, und nun ist es ein kleiner Lichtblick, ein kleiner Anlass zur Freude. Verkehrte Welt, oder? Ja, wohl, sie läuft verkehrt unsere Welt seit dem Tag X. Nicht zu Ende gefühlte Gefühle, keine Eindeutigkeit mehr, wohl wahr.

Danke für deinen Anruf. Danke, dass es auch dir wichtig ist. Ein kleiner Lichtblick auf unserem Weg? Ich empfinde es so Seelenfreundin. Ja ein Lichtblick, der Gedanke, dich im Arm zu halten...

Kommt gut durch die Woche, auch sie wird sich wieder anders anfühlen als vor dem Tag X. Auch sie wird mit allem nicht mehr eindeutig sein, egal wie tapfer wir auch sind, egal wie wir vielleicht vom Leben trotz allem verwöhnt werden, eindeutig ist nichts mehr.

Lasst euch nicht ärgern, von niemandem!

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες

Geändert von AndreaS (20.11.2006 um 08:49 Uhr)
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