Thema: Gehirntumor
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Alt 14.03.2007, 18:59
dorchen83 dorchen83 ist offline
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Standard AW: Gehirntumor

Hallo lieber Ole,

Ich musste dir einfach auf deine Worte antworten, da ich mich so sehr im lesen wiedergefunden habe und dir Trost spenden wollte, auch wenn ich noch nicht weiß wie... nun die Gewissheit, dass du nicht allein in dieser Situation bist, ist dir wahrscheinlich nur ein geringer Trost...
Gerne würde ich dir auch sagen, dass es besser wird, dass die Angst weniger wird, dass man lernt mit der Angst umzugehen und wie man dies bewältigen kannt, doch daran "arbeite" ich selber noch ... obwohl dieser Zustand den du beschreibst, bei mir mittlerweile über 12 Jahre andauert... ich habe immernoch Angst bei jedem Telefonklingeln - Angst dass sich der Zustand meines Pas verschlechtert hat oder er gestorben ist. Diese Angst ist schlimm... doch sie gehört mittlerweile wie selbstverständlich zu meinem Leben dazu und manchmal gelingt es mir sogar sie für einige Momente auszuschalten...
Bei der Diagnose damals haben die Ärzte meinem Pa keine guten Überlebenschancen ausgerechnet... der Tumor war inoperabel, Chemo oder Bestrahlung würden nicht anschlagen nur zusätzliches Leid bringen. Also wurde nichts gemacht und so holten wir ihn nach Hause mit dem Wissen, dass er wohl nur noch 3 Monate bis zu einem Jahr bei uns sein würde. Mittlerweile sind es wie gesagt 12. Die Ärzte hatten unrecht. Aber er hat natürlich sehr stark abgebaut und immer schwingt die Angst mit, dass dies der letzte Tag sein könnte... er kann auch nicht mehr schreiben, lesen, hat starke sprachliche Einschränkungen (er kann aber noch ein wenig sprechen), driftet nach spätestens einer Stunde auch geistig ab (deshalb lassen wir ihn auch in Etappen über den Tag verteilt schlafen, danach geht es dann wieder), hat starke Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen, wöchentliche epileptische Anfälle...
Ich kenne das Programm also leider auch... Nun was mir zum schreiben eingefallen ist, könnte dein Pa vielleicht mit der linken hand noch tippen? Das ist weniger Kraftaufwendig als mit der Hand zu schreiben und eventuell hat er die Tastenkombinationen noch in einem anderen Teil des Gehirns abgespeichert als die motorischen Vorgänge des Schreibens mit der Hand (das war bei meinem Dad der Fall). Zudem könntet ihr versuchen ihm die Kommunikation durch Bildkarten zu ermöglichen, auf die er nur zeigen braucht (es gibt dazu auch Vorlagen zum ausdrucken etc. - ihr könntet die Logopädin einmal dazu befragen - sie könnte auch ein spezielles Konzept dazu entwickeln - es wundert mich, dass sie diese Option noch nicht vorgeschlagen hat). Es gibt mittlerweile viele möglichkeiten der unterstützten Kommunikation. Leider ist es bei Tumorpatienten so, dass sie ja auch regressiv sind, dass heisst, das ihr Zustand sich verschlechtert und neue Dinge schlechter erlernen bzw. kaum noch ein Kurzzeitgedächtnis haben bzw. Bilder nicht mehr gut erkennen/ finden. Ich weiß nicht, wie der Zustand von deinem Pa ist, dass muss natürlich individuell entschieden werden... aber vielleicht bringen euch diese Tipps ja weiter... denn nicht kommunizieren zu können ist sehr schlimm und frustrierend für den Patienten so wie für uns Angehörige...
Zudem ist es wichtig, deinem Pa den Schlaf zu gewähren, den er braucht (am besten regelmäßig), denn so kann sich das Gehirn kurz ausruhen und danach ist er wahrscheinlich dann für kurze Strecken wieder fitter (so ist es zumindest bei meinem Pa). Lange Wachphasen sind für Tumorpatienten in diesem Stadium ja sehr anstrengend und das Gehirn braucht zwischendurch eine Pause, da es nicht mehr so schnell so viele EIndrücke verarbeiten kann bzw. dadurch sehr angestrengt ist.
Vielleicht helfen diese kleinen Tipps dir und deinem Dad ja schon etwas weiter. Durch Weihrauch könnt ihr übrigens die Cortisongabe verringern bzw. ganz ausschleichen und Jarsin könnte deinem Pa gegen die Stimmungstiefs ein wenig helfen (Johanniskraut soll gleichzeitig auch gegen Hirntumoren wirksam sein). Man weiß bei beidem zwar nicht 100% inwieweit es hilft, aber schaden tuts auch nicht (mein Pa ist wohl das beste Beispiel ).
Nun eine Frage nach dem Warum ist sehr müssig. Quäle dich dadurch nicht zusätzlich. Du wirst keine befriedigende Antwort finden. Und ehrlich gesagt wünschte ich diese Krankheit noch nichtmal meinem schlimmsten Feind - niemand hat so etwas verdient. Natürlich kann man die Frage nicht ganz ausstellen, doch lasse sie nicht dein Leben beherrschen - wie gesagt, du wirst keine befriedigende Antwort finden...
Ich will dir nicht schreiben: Genieße jeden Augenblick mit deinem Dad, denn ich weiß wie schwer es ist, weil die Traurigkeit und Angst um ihn, immer mitschwingt - und doch ist es wichtig das Jetzt zu sehen. Wir wissen nicht was kommt - Abschiednehmen? Wer kann das schon von den Lebenden? Kann man sich je damit abfinden, dass eine geliebte Person sterben muss? Irgendwann muss man jemanden gehen lassen, loslassen, aber wenn es so weit ist, dann weißt du es und du wirst es auch können...
Heute ist es wichtig, zu atmen, Kraft zu schöpfen, da zu sein, zu lachen, zu weinen, zu leben... dein Paps lebt doch bestimmt auf, wenn er seine kleine Enkeltochter sieht oder? Dieses neue Leben in eurem Leben gibt nicht nur dir Grund zur Freude und die Kraft weiterzumachen, sondern auch deinem Paps... deshalb ist es schön, dass sie grade jetzt zur Welt gekommen ist... ein kleiner Engel der euch geschickt wurde, um das Leid ein wenig ertragbarer zu machen...
Hat deine Ma bereits eine Pflegestufe für deinen Paps beantragt? Wenn nicht, ist es wichtig, dass sie es bald tut, dass sie proffessionelle und auch psychische Hilfe zur Seite bekommt, wenn dein Paps wieder nach Hause kommt. Du kannst dich auch an den ambulanten Hospizdienst in ihrer Gemeinde wenden - sie kommen ehrenamtlich zu euch nach Hause und unterstützen nicht nur deinen Paps und helfen organisatorisch (auch bei Pflegefragen etc.) bzw. entlasten deine Ma durch ihre Anwesenheit, sondern sind auch seelisch für die Angehörigen da...
So das war schon sehr viel in einem Beitrag... ich könnte noch so viel mehr schreiben, aber vielleicht weißt du das ja auch alles schon... nun wenn du fragen hast, bin ich gerne da...
Ich schicke dir eine liebe Umarmung und ganz viel Kraft

Dorchen
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