AW: Stammtisch
Hallo Ihr Lieben,
nun sind wir wieder da. Haben ein vollgepacktes Wochenende hinter uns, volles Programm, chaotisch-schöne Gefühle, Wechselbad mal wieder auf allen Seiten.
Unser großer Kleiner, lange haben seine Augen nicht mehr so gestrahlt. Ich hatte Bedenken, ob das, was wir vorhatten, auch für ihn das Richtige sein würde. Nein, wir haben keine Sekunde gemerkt, dass wir ein "Kind" dabei hatten. Er hat sich mit uns wohlgefühlt, wir uns mit ihm. "Neue Zeitreise" erstmals nach gestern 30 Monaten habe ich mich so gut gefühlt, dass es weh getan hat - kann man sowas verstehen?
Liebe Rowa,
du schreibst, du hast dich verändert, du selbst sagst zum Schlechten. Bist du dir da sicher, bzw. für WEN zum schlechten? Vielleicht für deine Umwelt, die dich mit flachen Sprüchen, mit Vorschlägen, deine Zeit zu verbringen, locken will, die Trauer hinter dir zu lassen, zurück ins Leben zu kommen? Ich weiß nicht, ob es wirklich nicht zum Positiven ist, wie wir alle uns verändert haben. Wir sind unbequem, anstrengend geworden. Das bestimmt. Depressive Phasen, natürlich Rowa, unbedingt. Wäre es normal, wenn sie ausblieben? Es ist nicht "etwas", was wir verloren haben. Es ist nichts, was man ersetzten kann. Es ist "alles", was wir hergeben mussten, sind mitgegangen. Das was bleibt, wir ,müssen erst rausfinden, was geblieben ist, wer wir sind, was wir wollen und wie ich finde noch wichtiger: Was wir NICHT wollen.
Unbequem, ja, aber zwangsweise ein großes Stück weiter auf dem Weg durchs Leben. Eine Mauer bauen, alleine durch die Trauer. Weißt du, ich denke, das ist der einzig richtige Weg, keine Flachheiten ranlassen, sich auf den Schmerz konzentrieren, ihn ertragen und hoffentlich überleben. Die Mauer ist lebensnotwendig, denn keiner kann dir da helfen, schon gar nicht mit Dingen, die vielleicht bei Liebeskummer oder sonstigen Problemen richtig wären, Ablenkung, nein, nicht wenn es um unser Leben geht. Die Mauer, warum denkst du, dass sie falsch ist. Denkst du nicht, dass deine Seele dir Zeichen gesetzt hat, was du genau jetzt in dieser Zeit für dich brauchst?
Du hast doch den Blick aufs Leben nicht verloren, schreibst selbst, dass du manchmal sowas wie Hoffnung fühlst, dass es besser wird, du hast es dir doch nicht verboten, willst doch nicht im Schmerz verharren, sehnst dich nach dem "lass es mir wieder besser gehen" aber es ist noch nicht die Zeit. Der Schmerz ist noch an der Stelle, an dem er alles fordert. Der Preis, den wir für die Liebe bezahlen. Nein Rowa, ich konnte in deinen Zeilen nicht lesen, dass irgendwas nicht richtig läuft, im Gegenteil, ich dachte: Mach es genauso, wie es für dich in dem Augenblick richtig ist. Ja, du hast dich verändert, wer damit nicht klar kommt hat das Problem, nicht du.
Ein Jahr geht zu Ende, von dem du nicht verstehst, dass es "schon" vorbei ist. So viel Schmerz ertragen in der Zeit, und dennoch ist sie so "schnell" vergangen. Nein die Welt ist nicht stehengeblieben, nicht einmal für uns, obwohl man es nicht begreift. Das magische Jahr, von dem auch wieder "die anderen" behaupten, danach wird es besser. Nein, es wird nicht besser, es ist nicht an Monaten festzumachen, dass es besser wird. Es wird erst besser - nein nie wieder gut - wenn wir unseren Platz für uns wieder gefunden haben, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können, leben wie WIR es möchten, jedenfalls dort, wo es möglich ist, nämlich im privaten Umfeld.
Denk dir unser Schild liebe Rowa, halte es hoch, wenn du zweifelst, dass es richtig ist. Es ist richtig, denn es ist DEIN Weg, halt es hoch das Schild: ICH DARF DAS JETZT!
Gestern sind bei uns auch wieder zwei Welten aufeinander getroffen, die eine Seite, bei denen alles eine Katastrophe zu sein scheint, was nicht in den Plan passt und die, die WIRKLICHE Katastrophen überlebt haben. Unverschämtheit, einfach reinzuplatzen, ohne Anmeldung. Wollte man kurz Hallo sagen, bevor man wieder knapp 500 km nach Hause fährt. Eine Katastrophe, denn man war ja nicht auf kurze 15 Min. dazwischenschieben eingestellt. Hätte einen irritiert, das Verhalten der neuen Ehefrau des Vaters, früher, bevor man überlebt hat, was wirklich schlimm ist. Und Steffens Reaktion, aus dem Bauch heraus, ein Schulterklopen bei der neuen Ehefrau des Vaters und der kleine Satz: Das Leben ist nicht so kompliziert....
Hatte er das tatsächlich gesagt? Jetzt hätte ich gerne "mmmh" gemacht, musste sich setzten, sacken lassen. Und ja, liebe Menschen, die uns nicht mehr verstehen können: Das Leben ist nicht so kompliziert, jedenfalls nicht, wenn es um ein kurzes unangemeldetes Hallo oder umgeworfene Pläne geht...
Kompliziert ist es anderenorts, wenn sich das Leben z.B. wieder total gut anfühlt, Kinderaugen strahlen, verursacht durch den Mann im neuen Leben, wenn ich dann alleine in einem Café sitze und mich TROTZDEM oder DESHALB? das Tier anspringt.. Seine Hände habe ich gesehen, ohne Anlass, seine Hände plötzlich vor dem geistigen Auge. Und ich fing an zu heulen, für andere ohne Grund, war ich doch alleine, konnte mich keiner veranlasst haben. Das Schild, denk an das Schild: Ich darf das jetzt. Ja, ich darf auch in einem Café heulen, wenn mir danach ist, denn ICH habe Grund dazu, trotzt wieder Glücklichsein. DIESEN Grund werde ich immer haben.
Wünsche euch noch allen einen erträglichen, sonnigen Ostermontag. Und lasst euch nicht ärgern, und lasst euch nicht irritieren auf eurem Weg durch die Trauer. Und wer es nicht versteht, macht nichts, wer weiß, vielleicht verstehen auch die eines Tages.
LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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