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Alt 15.10.2007, 11:35
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Anke LE Anke LE ist offline
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Registriert seit: 07.05.2007
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Standard AW: Und auf einmal ist sie da - die Trauer

Hallo Astrid,

das was Du beschreibst - es ging mir genauso. Bin ein so emotionaler Mensch. Manchmal kann das schon peinlich sein
Bei mir war es mein Papa. Ich nahm meine Eltern an die Hand und hab all das organisiert, gemanagt, was die beiden nicht konnten. Von der Trauer, dem Entsetzen, der Angst gelähmt ging bei ihnen nichts mehr. Also hab ich es gemacht.
Ich war über mich entsetzt, dass ich so kühl und distanziert viele Dinge erledigt hab: sei es die Gespräche mit den Ärzten, den Schwestern, das Organisieren der Arztberichte. Vorallem aber die Gespräche, die Nähe zu meinen Eltern.
Meine Mutti meinte letzte Woche zu mir, Papa hat es immer gut getan, wenn ich bei ihnen war. Meine Zuversicht, meine Kraft hätte ihnen beiden, vorallem aber Papa super gut getan. Ich würde gar nicht wissen, wie gut ich ihnen getan hab mit meinen positiven Gedanken. Und die hatte ich. Immer. Für mich gab es dieses Ende in so absehbarer Zeit nicht. Überhaupt kein Ende. Mama und Papa sind unsterblich! Ich wurde eines besseren belehrt....
Meine Trauer kommt jetzt in immer dichteren Abständen. Da genügt eine Sequenz von einem Film, eine Stelle in einem Buch. Manchmal aber nur der Blick auf sein Bild. Und dann ist sozusagen "Hopfen und Malz" verloren bei mir. Aber: ich bin der Ansicht, alles hat seine Zeit. Wir mussten stark sein für unsere Eltern, da konnten wir einfach nicht weinen und unsere Traurigkeit zeigen. Das Bewusstsein setzt jetzt ein, so nach und nach: keine Feier ohne ihn, kein Pilze suchen mehr, Ferien für meine Tochter "nur" noch mit Oma. Kein Lästern mehr über Mama, wenn sie uns Kinder mit ihrer Führsorge nervt ("Kind, so kannst Du doch nicht rumlaufen...."). Sein glucksendes Lachen wird mir fehlen. Und ebenso sein Duft und seine Wange, die ich immer geküsst hab.
Ich weiß, dass der Tod zum Leben gehört. Nur redet man nicht so gern darüber. Warum auch von etwas Endgültigem reden, was so unfaßbar ist.
Ich werd mich für meine Traurigkeit und meine Tränen nicht schämen, auch auf Arbeit nicht oder wenn ich unterwegs bin. Ich hab lang darauf gewartet, dass ich das kann: um meinen Papa richtig trauern. Nicht nur für den Moment der Trauerfeier und Beerdigung. Und dafür bin ich dankbar: dass ich nämlich nicht nur funktioniere, alles regeln und organisieren kann. Sondern dass meine Gefühle nicht rausdurften, dass ich meine Eltern schützen musste. Und jetzt kann ich traurig sein. Und jetzt darf ich das auch. Und das ist gut so.
Liebe Astrid, ich wünsche Dir von ganzem Herzen eine Kraft gebende Trauer. Ich bin der Ansicht, dass der Mensch als Hülle geht, aber seine Seele in und um uns herum weiter besteht. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, das dem so ist.

Herzlichst aus Leipzig

Anke
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Betroffener: mein Papa, geb. 21.11.1935
Diagnose erhalten am 5.5.07, Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen in Leber und Bauchraum

eingeschlafen am 09.07.07. friedlich, still und leise
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