Thema: Stammtisch
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Alt 17.11.2007, 14:12
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Erinnerungen kommen angeschwappt: Ich war ein kleines Mädchen und er hat mir das Schwimmen beigebracht, ich rieche noch seine nasse Haut, habe mich an seinem Hals festgeklammert, mein Rettungsanker, voller Vertrauen. Fahrrad gefahren mit ihm, der Sonntagsspaziergang, als Kind genossen, als Jugendliche gegrummelt.

Hatte eine geborgene Kindheit. Und dann ist etwas passiert, das Kind wurde erwachsen, das Kind hat sich verliebt, in den Falschen, wie er fand. Ab da wurde es schwierig, von Jahr zu Jahr mehr...

Und ich krame in meinem Innersten und suche nach dem Gefühl als Kind, wo ist es hin? Und ich schäme mich fast ein wenig, besonders wenn ich von den gebrochenen Herzen der Töchter und Söhne lese, die ihre Väter so schmerzlich vermissen. Auch meine Kinder... und doch, ja, der Vater meiner Kinder hat sie bedingungslos geliebt, wollte, dass sie glücklich sind.

Ich war glücklich 28 Jahre an der Seite meines Mannes. Warum war das meinem Vater nicht genug? Warum konnte er meinen Mann nicht einfach DAFÜR gerne haben, dafür, dass Claus sein Kind glücklich gemacht hat. Warum musste ich erklären? Warum musste ich mich verbiegen? Warum stellte er ständig meinen Mann in Frage? Und warum gibt er mir heute wieder dieses Gefühl? Gespräche, die provozieren sollen, die meinen Partner reizen sollen, warum?

Eigentlich hat mein Vater - nur auf seine Person bezogen - ein gutes Leben gehabt. Ja, im Krieg geboren, aber zum Glück zu jung, um den Kopf hinhalten zu müssen an der Front. Ein schrecklicher Schicksalsschlag, als mein Bruder starb, aber seine Ehe ist nicht daran zerbrochen und sein kleines Mädchen, das seinen Bruder verloren hatte, wollte nichts, als es ihm Recht machen, eine gute Tochter sein. Niemals krank (und ich hoffe, es bleibt so) und doch, es kommt nur Negatives, welch schrecklicher Kampf das Leben ist, keine positiven Gedanken, nur Schwarzmalerei. Keine Dankbarkeit für das, was er haben durfte.

Heute hat er Geburtstag und ich weiß, dass er auch heute wieder nur sieht, wie schrecklich schnell die Zeit vergangen ist. Nein, er wird nicht sehen, welch großes Glück es ist, 78 Jahre werden zu dürfen. Ich habe meinem Mann zum 49. liebevoll Teelichter gelegt, den Tisch damit verziert, wusste nicht, dass es der letzte Geburtstag sein würde, wusste nicht, dass ich damit ein Ritual erstmals begonnen hatte, denn seit drei Jahren kann ich nichts anderes mehr tun, als Kerzen anzuzünden...

Und wenn nachher wieder gejammert wird darüber, wie alt er schon ist, werde ich mir um des lieben Friedens Willen verkneifen, zu sagen: Du glaubst gar nicht wie viele Menschen - einschließlich deines Sohnes, der mit 10 gestorben ist - gerne 78 geworden wären....Ja, ich werde es mir verkneifen, denn er wird nicht verstehen...

Nein, ich verbiege mich nicht mehr, werde erst Recht nicht versuchen, meinen Partner zu verbiegen. Nach etwas mehr als einem Jahr in unserer Familie, hat er bereits keine Lust mehr zu diesen Besuchen. Wen wundert's? Ich werde hingehen, werde versuchen mich zu erinnern, werde in mich reinhören und es suchen, das Gefühl, das da mal war.

Und ich werde tiefe Dankbarkeit spüren dafür, dass es bei uns anders läuft, dafür, dass aus meinen kleinen Kindern junge Erwachsene geworden sind, die sich wohl fühlen, die sich angenommen fühlen, die sich nicht verbiegen oder erklären müssen für ihre Gefühle. Mit denen wir in die Disco gehen. Claus wird mir wieder einmal sehr nah sein, denn er hat mich gelehrt, was es heißt, bedingungslos zu lieben, seinen Kindern Wurzeln und Flügeln zu geben...

Ja, Gedanken kommen angeschwappt heute. Kein guter Tag, zu schweres Herz....

LG und ich werde es versuchen, ich lass mich nicht ärgern!

Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες

Geändert von AndreaS (17.11.2007 um 14:16 Uhr)
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