Thema: Stammtisch
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1315  
Alt 09.12.2007, 16:35
Blue Blue ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 18.09.2005
Beiträge: 193
Standard AW: Stammtisch

Hallo zusammen,

irgendwie muß es passen zu schreiben, manchmal sind die Gedanken verworren, ein einziges Chaos und es lassen sich keine Worte dafür finden. Dann kommt auf einmal wieder das Gefühl, jetzt möchte ich schreiben – ob öffentlich oder ganz alleine für mich. Die Gedanken in Worte fassen und damit gleich sortieren.

Ich las vor kurzem in der Tageszeitung, daß 2 Ärzte von Jürgen nicht mehr in der Klinik sind. Keine klaren Gedanken. Bedauern? Nein. Gleichgültigkeit? Das trifft es wohl eher. Und doch, noch immer nicht ganz klar in mir. Nein, ich muß mir darüber keine Gedanken mehr machen – es betrifft mich im Moment nicht.

Was ist Flucht in der Trauer? Bei einer Freundin hörte ich immer mal wieder „gut abgelenkt“ an den schwierigen Tagen. Ist das Flucht? Nehme ich meine Gedanken nicht überall mit? Ich kann nicht so schnell rennen, wie meine Gedanken hinter mir her huschen.

Manchmal ist mir alles schnurz egal. Ich bin müde, ich bin satt. Keine Lust irgendetwas zu tun. Doch, manchmal sind die Tage an denen ich nicht mal aufstehen möchte wieder da. Der Alltag hat mich wieder. Dann wieder, wie ein Fingerschnipper, habe ich den Alltag wieder. Was mir gestern noch schnurz egal war, kann heute von großer Wichtigkeit sein. Auch nicht immer einfach zu verstehen.

Gestern hatte ich ein Erlebnis und ich denke ich muß es mir hier von der Seele schreiben. Ich war einkaufen, stand in einem Geschäft und höre eine Stimme die mir bekannt vorkam. Diese Stimme konnte ich nicht eindeutig einordnen, die Augen mussten es bestätigen. Ein Film lief in mir ab, blitzschnell. Ein Telefongespräch mit einer Ärztin von Jürgen. Sie sagte von 3 Jahren zu mir: „Wenn sie diese Therapie abbrechen sind sie Mitschuld am Tod ihres Mannes“. Ich war zu Stein erstarrt, habe sie lange angeschaut. Irgendwann wandte ich mich wieder dem Alltag zu, redete und ich bemerke ihren Blick auf mir. Was hätte ich dieser Ärztin in diesem Moment sagen können? Sie hatten Recht? Hatte sie das? Wie konnten sie nur?! Oder, sie haben keine Ahnung! Nein, in diesem Moment kein Bedürfnis irgendetwas richtig zu stellen, in diesem Moment keine Worte in mir. Ich habe sie einfach nicht erkannt. Heute nun könnte ich ihr meine ganze Wut ins Gesicht schreien, selbst die Hakentour hat nichts geholfen.

Das war tief vergraben in mir und damit darf/muß ich nun leben, egal ob diese Worte der Wahrheit entsprechen oder nicht.

Liebe Andrea M,

ja, ich habe es meinem Kollegen geschrieben – sagen konnte ich es nicht, ich hätte nur geheult und das wollte ich nicht. Wir hatten im Kollegenkreis eine wunderschöne Abschiedsfeier und wir alle wollten uns so gar nicht mehr trennen. Klar bleibe ich mit ihm in Kontakt und klar werde ich weiterhin auf das Weihnachtsgebäck von ihm bestehen. Manche Dinge ändern sich zum Glück nicht und er läßt es sich gefallen. Bei der Arbeit fehlt er mir sehr, war er doch mein „Anlaufpunkt“. Sein Büro ist jetzt leer und kalt, keiner sitzt mehr drinnen. Ja, er fehlt mir sehr.

Einen schönen 2. Advent und vergesst heute Abend die Kerze nicht.

LG
Bruni
Mit Zitat antworten